Gewalt ist eine Loesung
Year!
Stunden später glühten schon die Telefone. Von den festgenommenen Jungs durften zehn nach Feststellung der Personalien in derselben Nacht wieder gehen. Die anderen wurden wegen ihres aggressiven Verhaltens gegenüber den eingesetzten Polizeibeamten verhaftet und mussten den Rest der Silvesternacht in der Zelle verbringen. Gegen sie würde auch ermittelt werden, hieß es. Wegen Landfriedensbruch und gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung – von einer Bagatellsache konnte nicht die Rede sein.
Die Überprüfung der Personalien erbrachte sofort den Hooligan-Zusammenhang. Fast alle Jungs hatten den Eintrag »Achtung GS«. » Gewalttäter Sport « . Mal wieder. Ein klarer Fall für die beiden Bielefelder »szenekundigen Beamten«, deren alleiniges Aufgabengebiet in der Überwachung und Bekämpfung von Hooligans bestand. Gregor Lintz und der äußerst karrierebewusste Gerd Volkerts traten auf den Plan.
Die Schlägerei mit den Engländern hatte Wellen geschlagen. Mehrere der Partygäste erstatteten Anzeige, darunter auch die drei Veranstalter. Von den englischen Soldaten indes machte niemand Meldung bei der Polizei. Immerhin! Ermittelt wurde am Ende aber ausschließlich gegen uns Fußballjungs. Und ich musste irgendwie zusehen, dass ich nicht noch weiter in diese ganze Polizeiermittlung hineinrutschen würde.
Was waren die Fakten? In der fraglichen Nacht wurde ich nicht kontrolliert. Abgehakt. Im Krankenhaus hatte ich falsche Personalien angegeben – auch abgehakt. Beim Sturm auf das Zelt war ich vermummt … Das war der einzige Schwachpunkt. Zu viele Augenzeugen, die mich hätten erkennen können. Es würde also eng zugehen und nur mit viel Glück käme ich ungeschoren aus der Sache raus. Hoffte ich.
Aber leider vergeblich. Etwa einen Monat nach dem Zwischenfall sprach mich der SKB Gerd Volkerts bei einem Heimspiel der Arminia im Stadion an. Zur Halbzeitpause gönnte ich mir gerade eine Currywurst, als er plötzlich neben mir stand. Ihm war selbstverständlich bekannt, dass ich zu jener Zeit bei der Bereitschaftspolizei in Dortmund meinen Dienst versah. Ein Gespräch unter Kollegen …
Volkerts kam direkt zur Sache: »Stefan, was ist Silvester los gewesen?« Adrenalin. Was wusste er? Was sollte ich antworten? Wie könnte ich meine Nervosität verbergen? Ich musste ruhig bleiben. Ganz ruhig. »Wieso Silvester?«, fragte ich. »Die Schlägerei zieht riesige Wellen«, bemerkte er vorwurfsvoll. Ruhig, bleib ruhig.
Die Neue Westfälische hatte über die blutigste Silvesternacht seit Jahren berichtet und unmittelbar auf die Beteiligung von Hooligans hingewiesen. Die Schlägerei mit den englischen Soldaten hatte derart viel Staub aufgewirbelt, dass der Ermittlungsdruck auf die Bielefelder Polizei beträchtlich war. Die Öffentlichkeit war geschockt und forderte Ergebnisse. Ich musste verdammt aufpassen, was ich sagen würde. »Ich habe mit der Sache nichts zu tun«, versicherte ich. Glaubwürdig?
Volkerts wurde deutlicher. Er eröffnete mir, dass die Polizei zehn Partygäste vernommen habe und ausnahmslos alle hätten mich und meinen Kumpel Frank als Haupttäter genannt. Ein Pochen und Rasen in Kopf und Brust. Verflucht noch mal! Ruhig bleiben. »Das kann nur damit zusammenhängen, dass ich an dem Zelt vorbeigekommen bin, angegriffen und verletzt wurde.« Der SKB schaute mich mit bohrenden Augen an. »Danach bin ich wegen einer Wunde am Auge nach Hause gefahren. Mehr kann ich zu dem Abend leider nicht sagen – denn ich war dann ja daheim.« Volkerts versuchte noch immer, mich mit seinen Blicken zu fesseln. »Ach ja? Das ist merkwürdig! Denn mehrere Personen sagen aus, dich auch beim zweiten Mal gesehen zu haben. Beim Sturm auf das Zelt, sagen die Zeugen, wärst du ganz vorne mit dabei gewesen!?«
»Das kann gar nicht sein, Gerd. Ich war doch längst zu Hause. Die ganze Geschichte kenne ich nur vom Hörensagen – und aus der Zeitung«, log ich ihm mitten ins Gesicht. Volkerts bearbeitete mich weiter. Die Akte sei mittlerweile so dick wie ein Telefonbuch, erklärte er mit forscher Stimme. Allein wegen der vielen Verletzten sei der leitende Staatsanwalt sehr erbost und habe deshalb auch beschlossen, jeden noch so kleinen Hinweis verfolgen zu lassen – ganz egal, wohin das führen würde. Die beteiligten Schläger müssten mit aller Härte bestraft werden, habe der Staatsanwalt verkündet. Der Ankläger sei sehr entschlossen, betonte der SKB.
Die Nervosität und die innere Unruhe raubten mir fast
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