Gewitter der Liebe
Julia war es, als hätte sie einen erstickten Schrei gehört; noch einmal klopfte sie, diesmal fester, dann öffnete sie zaghaft die Tür.
Was sie erblickte, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren: Lilly lag mit zerrissenen Kleidern auf dem zerwühlten Bett, über ihr wälzte sich ein Mann, der versuchte, ihre wild um sich schlagenden Arme zu bändigen.
»Du verdammtes Miststück«, brummelte er. »Wenn du mir nicht endlich zu Willen bist, bringe ich dich um.«
»Nein!«, schrie Lilly gequält auf. »Lass mich sofort los, sonst rufe ich die Polizei!«
Schwer lag der Mann auf der zierlichen Lilly und lachte rau. »Was willst du denen erzählen, hä? Du bist doch nur eine billige Hure, die mich bestohlen hat.«
Wie angewurzelt stand Julia an der Tür, doch als sie erkannte, dass der Mann seine fleischigen Hände um Lillys schlanken Hals legte und zudrückte, kam Bewegung in sie. Hastig sah sie sich um, und als sie einen schweren Kerzenleuchter erspähte, griff sie kurzerhand danach und eilte zum Bett.
Der Fremde hatte sie noch nicht entdeckt, und als Lilly verzweifelt nach Luft rang, schlug Julia den Leuchter auf den Hinterkopf des Mannes. Er stöhnte kurz auf, dann erschlaffte sein massiger Körper.
Lilly war bereits halb ohnmächtig, schob den Mann mit letzter Kraft von ihrem Körper und hechelte nach Luft. Erst jetzt sah sie Julia neben dem Bett, die noch immer den Kerzenleuchter in den Händen hielt und mit großen Augen auf den Mann schaute, und sowie Lilly wieder einigermaßen zu Atem gekommen war, richtete sie sich mühsam auf und schlug die Hände vor das Gesicht.
»Julia«, stammelte sie mit heiserer Stimme. »Was tust du hier? Ich glaube, du hast mir soeben das Leben gerettet.«
»Ist er tot?«, fragte Julia leise. Ihre Knie zitterten so stark, dass sie sich auf die Bettkante fallen ließ. »Habe ich ihn umgebracht?«
Lilly schob sich zur Seite, betrachtete den Mann und erwiderte: »Nein, er atmet noch.«
»Ich hole die Polizei.«
»Tu das nicht, ich flehe dich an.« Lilly griff nach Julias Hand.
»Aber er hat versucht, dich zu erwürgen, das habe ich mit eigenen Augen gesehen.«
»Es ist Bill. Du erinnerst dich an ihn?«
Julia wurde leichenblass. »Dann hast du dich also doch nicht geirrt, als du damals glaubtest, ihn auf der Straße gesehen zu haben?«
Lilly nickte, während sie sich ihren schmerzenden Hals rieb. »In den vergangenen Monaten begegnete ich ihm immer wieder, er verkehrt regelmäßig im Red Carpet. Anfangs schien er sich nicht sicher zu sein, ob ich es war, die ihn in New York bestohlen hatte, aber dann sah ich ihm an, dass er mich wiedererkannt hatte. Er sprach mich nie an, doch mir war bewusst, dass er sich rächen würde. Und vorhin stand er dann plötzlich vor meiner Tür, drängte mich ins Zimmer und warf mich aufs Bett. Oh Julia, du bist in letzter Minute gekommen, ohne dich wäre ich jetzt vermutlich tot.« Lilly hustete mit schmerzverzogener Miene. »Wieso bist du überhaupt hier? Du wolltest doch nichts mehr mit mir zu tun haben.«
Noch immer den Blick dem bewusstlosen Bill zugewandt, sagte Julia leise: »Ich wollte mich bei dir entschuldigen. Gestern habe ich herausgefunden, dass Ross tatsächlich ein Schuft ist.«
Vor Erleichterung seufzend, schloss Lilly ihre Freundin in die Arme. »Mir wäre es lieber gewesen, wenn ich dir nichts von seiner Untreue erzählt hätte, aber das schlechte Gewissen plagte mich.«
»Darüber können wir später reden. Zunächst müssen wir uns überlegen, was wir mit diesem Mann anstellen. Wir sollten ihn der Polizei übergeben – was damals in New York geschehen ist, kann er nicht beweisen, denn es gab keine Zeugen.«
Lilly schälte sich aus dem Bett und warf sich einen seidenen Morgenmantel über das zerfetzte Kleid. »Vielleicht hast du recht, er hat keine Beweise, dass ich es war, die ihm das Dollarbündel aus seiner Jackentasche genommen habe. Bleib du hier, ich hole Mr Plumber.«
»Wer ist Mr Plumber?«
»Der Saloonbesitzer.«
»Was willst du ihm sagen?«
»Dass ich von einem betrunkenen Gast überfallen wurde. Natürlich werde ich ihm nicht auf die Nase binden, dass ich diesen Mann aus New York kenne.«
Julia war nicht wohl bei dem Gedanken, mit Bill alleingelassen zu werden, deshalb folgte sie Lilly bis vor die Tür. Ihre Beine waren noch immer weich wie Gummi, und sie hoffte, dass Lilly sich beeilen würde. Ihre Freundin kam wenige Minuten später mit dem dicken Saloonbesitzer zurück, der nur einen kurzen Blick auf
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