Gewitter der Liebe
den Ohnmächtigen warf und dann nickend sagte: »Der ist mir schon lange ein Dorn im Auge, denn ich vermute, dass er ein Falschspieler ist. Und er hat versucht, dich zu erwürgen?«
Lilly nickte heftig und wies auf ihren Hals, auf dem sich rote Fingerabdrücke gebildet haben. »Miss O’Donovan kann es bezeugen.«
»Gut, dann zieh dir etwas über, schließ den Kerl ein und warte, bis die Polizei eintrifft.«
Angelockt durch die Unruhe, kamen nun auch die anderen Mädchen aus ihren Zimmern und redeten auf Lilly ein. In Stichworten erklärte sie ihren Kolleginnen den Sachverhalt, dann entschuldigte sie sich kurz, um sich umzuziehen, sodass Julia mit den Amüsiermädchen allein war.
»Wieso wollten Sie ausgerechnet in diesem Augenblick Lilly besuchen?«, fragte jenes Mädchen neugierig, das Julia bereits bei ihrer Ankunft angetroffen hatte.
»Das war der reinste Zufall«, gab sie über sich selbst erstaunt zurück. »Ich wusste nur, dass Lilly um diese Zeit noch nicht im Saloon ist.«
Als die Freundin aus der Tür trat, war sie züchtig mit einem eleganten Kleid angetan, und das Haar war ordentlich frisiert. Rasch zog sie die Tür hinter sich zu und flüsterte: »Ich glaube, er kommt zu sich.«
»Die Polizei muss gleich hier sein«, sagte Julia und schloss Lilly in die Arme.
Die beiden Freundinnen mussten ein kurzes Verhör über sich ergehen lassen; der Polizist teilte ihnen mit, dass gegen Bill einiges vorlag, das ihn für lange Zeit ins Gefängnis bringen würde. Der Mann war in der Zwischenzeit zu sich gekommen, außer einer dicken Beule am Hinterkopf hatte er jedoch keinerlei Schaden genommen.
Lautstark beteuerte er, dass die Hure ihn einst bestohlen hatte, doch niemand hörte auf ihn.
Erleichtert atmeten Julia und Lilly auf, als sie die Polizeiwache verlassen konnten.
»Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll«, sagte Lilly; sie konnte schon wieder lächeln. »Wenn du nicht da gewesen wärst, läge ich jetzt bereits im Leichenschauhaus.«
Mit erstickter Stimme antwortete Julia. »Ausgerechnet jetzt habe ich erkannt, dass ich dir unrecht tat. Hätte dich Bill umgebracht, hätte ich mir das nie verzeihen können, denn immerhin hatte auch ich von dem Geld damals Nutzen. Ohne die Dollarscheine wäre ich nie nach Kalifornien gekommen.«
Lilly zog ihren Umhang enger um die Schultern. »Lass uns nicht mehr darüber reden.« Sie trippelte unschlüssig auf und ab. »Eigentlich mag ich jetzt nicht in mein Zimmer zurückkehren, es graust mir davor.«
»Dann komm mit mir zu Nathan.« Julia griff nach Lillys Ellenbogen. »Dort bist du sicher, und ich kann dir in Ruhe erzählen, was ich über Ross erfahren habe.«
Ohne lange zu zögern, willigte Lilly ein, und wie einst gingen sie dicht nebeneinander her und schwatzten aufgeregt – so als hätte es das Zerwürfnis zwischen ihnen nie gegeben.
Nathan brachte die beiden sofort nach hinten und hörte sich Lillys Geschichte fassungslos an. Sie hatte ihm bereits von Bill erzählt und weshalb er ihr auflauerte, aber sie hatte ihm nicht die ganze Wahrheit gesagt.
»Ich wusste nicht, dass du und Julia das gestohlene Geld dafür gebraucht habt, um nach Kalifornien zu kommen«, meinte er ernst.
»Deshalb fühle ich mich ja mitschuldig.« Julia herzte ihren Sohn und setzte ihn dann der glücklich strahlenden Lilly auf den Schoß. »Sieh mal, das ist deine Tante.« An Nathan gewandt, fügte sie hinzu: »Glücklicherweise hat dieser Mann so viel auf dem Kerbholz, dass ihm niemand glauben würde, was Lilly in New York getan hat – zumal er es ohnehin nur vermuten konnte, denn er war ja stockbetrunken. Nicht wahr, Lilly?«
»Allerdings. Er klebte wie ein Affe am Laternenpfahl, und jeder, der vorbeigekommen wäre, hätte ihn ohne Eile ausplündern können.« Sie streichelte den Jungen, der sie fröhlich anlächelte, sodass ihr vor Ergriffenheit Tränen in die Augen traten. »Wenn ihr wüsstet, wie sehr ich mir gewünscht haben, Joseph einmal halten zu dürfen.«
Auch Julia hatte feuchte Augen bekommen. »Verzeih meine Sturheit. Hätte ich damals auf dich gehört, wäre mir vielleicht viel Leid erspart geblieben.«
»Was ist überhaupt passiert? Hast du Ross mit einer anderen Frau in flagranti erwischt?«
Traurig schüttelte Julia den Kopf. »Es ist noch viel schlimmer.« Sie blickte betreten zu Boden, und es entstand eine peinliche Stille, bis Nathan sich einschaltete.
»Was halten die Damen davon, wenn ich Joseph zu Bett bringe, und ihr beiden sprecht euch in Ruhe
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