Gewitter der Liebe
Planwagen von hinten an, und als der Kamm endlich erreicht war, sanken sie erschöpft zu Boden.
James Cramer samt Pferd und seinen Leuten beobachtete das Geschehen vom Kamm aus. Da es zu dunkeln begann, entschied er, die nächsten Wagen bis zum kommenden Morgen am Fuß des Berges zu lassen, und schickte die Leute zu Bett.
Natürlich trafen sich Julia und Ross noch kurz vorm Schlafengehen. Er gehörte, ebenso wie Nathan, zu den Männern, die tatkräftig dabei geholfen hatten, die anderen Wagen auf den Berg zu schieben, und war dementsprechend geschwächt und konnte sich kaum noch auf den Beinen halten.
Mittlerweile war es fast dunkel geworden, und sie standen engumschlungen auf dem zugigen Kamm.
»Ich glaube, ich kann das Meer schon riechen«, sagte Julia bewegt. Den salzigen Geruch kannte sie von New York; ein paar Mal war sie am Hafen gewesen, um die Einwandererschiffe zu betrachten, die auf Ellis Island zusteuerten.
Ross schlang seine Arme noch enger um ihren mageren Körper und versenkte sein Gesicht in ihrem Haar, das vom Wind zerzaust war. »Jetzt kann nichts mehr schief gehen, die Welt steht uns offen. Ich bin so froh, dass ich dich getroffen habe; und dabei dachte ich immer, ich komme allein am besten zurecht. Doch jetzt freue ich mich, dass ich jemanden gefunden habe, mit dem ich mein Leben teilen kann.«
Julia saugte jedes seiner Worte förmlich auf. Er sprach oft in dieser Art zu ihr, und Julia fühlte sich dann immer wie etwas Besonderes – weil sie für Ross etwas Besonderes war.
Als sie später in Nathans Wagen kletterten, schliefen Nathan und Lilly bereits. Julia hätte sich gern noch etwas mit den beiden unterhalten, denn sie war noch viel zu aufgekratzt, um schlafen zu können. Dennoch legte sie sich nieder und schloss die Augen.
Was hatte sie nicht in den letzten Monaten alles gesehen und erlebt? Dieses Abenteuer würde sie ihr Lebtag nicht vergessen, davon konnte sie später ihren Enkelkindern erzählen. Bei diesem Gedanken spielte ein zärtliches Lächeln um ihre Mundwinkel … um eine Familie zu gründen, hatte sie bereits den Richtigen gefunden. Mit Ross’ Gesicht vor ihrem inneren Auge schlief sie schließlich ein.
Auch der nächste Tag brachte nichts als Nebel und kühlen Wind. Die Spitze des Mount Diablo lag im Dunst und war kaum vom Hang aus zu erkennen.
Noch über zwanzig Wagen galt es über den Berg zu bringen, und nach einem hastigen Frühstück versammelten sich alle verfügbaren Männer.
Der erste Wagen wurde von nur einem Ochsen gezogen, sein Kumpan war unterwegs geschlachtet und verzehrt worden.
»Wir brauchen mindestens zehn Männer hier hinten!«, rief Nathan den anderen zu. »Sonst bekommen wir den Wagen keinen Meter weit hinauf.«
Ross und die Hofman-Brüder waren sofort an Nathans Seite, fünf weitere Männer folgten. Der Wagenbesitzer bemühte sich derweil, den Ochsen zum Gehen zu bewegen, und nach mehrmaligem Peitschenknallen setzte er sich gemächlich in Gang, blieb jedoch sofort wieder stehen, als er merkte, dass es steil bergauf ging.
Schließlich schafften es weitere drei Männer, den Ochsen zum Weitergehen zu bewegen, während von hinten die anderen ihre Schultern gegen das Wagenholz drückten und unter der Last ächzten und stöhnten.
Zentimeterweise ging es voran. Sie hatten etwa die Hälfte geschafft, als das Unglück geschah. Der Ochse rutschte auf dem unebenen Untergrund aus und stürzte; gnadenlos wurde das Tier wegen des anhängenden Wagens zurückgeschleift.
»Achtung, geht zur Seite!«, schrie jemand, und die Männer sprangen erschrocken davon, um dem rückwärts rollen Planwagen samt rutschendem Ochsen zu entkommen.
Nathan, der in der Mitte des hinteren Wagenteils gestanden hatte, stolperte jedoch und fiel der Länge nach zu Boden. Das linke hintere Wagenrad erfasste ihn und fuhr über sein Bein.
Nathans markerschütternder Schrei fuhr jedem in die Glieder, und nur weil ihn Ross beherzt zur Seite zog, wurde verhindert, dass auch noch das Vorderrad über das verletzte Bein fuhr.
Julia und Lilly hatten das Unglück vom Fuße des Berges mit entsetzten Blicken beobachtet. Wie gelähmt standen sie da und sahen, dass der Wagen endlich zum Stillstand kam und der Ochse sich mühselig in die Höhe stemmte.
Doch dann kam Leben in Julia. Sie rannte los und stieß die Männer beiseite, die den vor Schmerz schreienden Nathan umringten.
Sie ließ sich auf die Knie nieder und warf einen vorsichtigen Blick auf das zerschmetterte Bein. Blut und Knochenteile
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