Gewitter der Liebe
bei gutem Verdienst gesucht werden. Auch am Hafen waren wir, es war überwältigend, was die beiden gerade angelegten Schiffe alles an Passagieren und Waren ausspuckten.«
»Hast du gehört, Lilly?« Aufgeregt knuffte Julia mit ihrem Ellenbogen gegen die Rippen der Freundin. »Die Zeitungen haben nicht gelogen!«
Ross sagte grinsend: »Auch in den Saloons werden hübsche junge Frauen zum Bedienen gesucht.« Natürlich war ihm nicht entgangen, welche Art von Beruf sich Lilly vorstellte.
Endlich erhellte sich deren Gesicht. »Tatsächlich? Dann werde ich mich noch heute vorstellen.«
Julia wäre es lieber gewesen, sie hätte sich doch noch dazu entschlossen, eine anständige Tätigkeit suchen zu wollen, auch wenn sie damit nicht so viel Geld wie in einer Bar verdienen würde.
»Ich glaube, ich habe sogar schon ein Häuschen für uns gefunden«, sagte Ross zu Julia. »Es liegt in der Nähe des Hotels, in dem James Cramer wohnt, und es ist zu vermieten. Es ist nichts Besonderes, aber von der hinteren Veranda hat man einen Blick auf den Hafen und die ankommenden Schiffe.«
»Aber wir haben doch gar kein Geld für die Miete!«
»Ich rede mit dem Vermieter. Außerdem wollen die Brüder und ich den Planwagen samt Ochsen verkaufen, damit hätten wir ein schönes Startkapital – auch für unsere Ausrüstung. Oder gewährst du uns Kredit, Nathan?«, fügte er scherzend hinzu.
Die Unterhaltung fand in Nathans Wagen statt, da es regnete.
»Du warst einer derjenigen, der mir das Leben gerettet hat«, gab dieser ernst zurück. »Da kann man über einen Kredit schon reden. Ich hoffe, die Wunde ist bald geschlossen, damit ich mich mit eigenen Augen von unserer neuen Heimat überzeugen kann.«
»Sie wird dir gefallen«, versicherte Ross. »Auf der Main Street kam ich an einem Laden vorbei, der zu vermieten ist. Der dürfte dir gefallen.«
Vor Aufregung glänzten Nathans Augen, und die düsteren Gedanken an seine Behinderung traten für einen Moment in den Hintergrund. »Ich fürchtete, wir müssten unsere Häuser selber bauen – in diesem Fall hätte ich passen müssen.«
Er hatte noch große Schmerzen, die jedoch durch die Tinktur von Dr. Stevens etwas gemildert wurden. Er fing einen Blick von Julia auf und lächelte. »Mach dir keine Sorgen, es wird schon wieder. Ich bedauere nur, dass ich hier untätig herumliegen muss, während alle anderen bereits dabei sind, ihr Leben neu einzurichten.«
»Wenn du erlaubst, entführe ich dir die beiden Damen, sowie es aufgehört hat zu regnen«, sagte Ross. »Ich will ihnen die Stadt zeigen; und bei der Einrichtung deines Ladens helfen wir dir. Übrigens hat Josh die zweite Krücke fast fertig geschnitzt.« Ihm fiel noch etwas ein. »Ach ja, ich traf gestern Abend einige Männer, die vom Goldwaschen kamen. Stellt euch vor, alle hatten ein Säckchen Goldstaub bei sich – eingesammelt an nur einem Tag! Da sollte mich doch der Teufel holen, wenn ich weniger Glück hätte!«
Da es ununterbrochen weiterregnete, bekam Julia erst am Tag darauf die Gelegenheit, San Francisco näher in Augenschein zu nehmen. Vom Stadtrand her machte alles einen düsteren Eindruck, doch dann stahlen sich ein paar Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke und legten einen hellen Glanz über die Hügelstadt San Francisco.
Da es nicht weit bis zum Zentrum war, schlug Ross vor, zu Fuß zu gehen, was von Julia und Lilly begeistert aufgenommen wurde.
Die zumeist unbefestigten Straßen, die zum Zentrum führten, waren durchweicht, aber dennoch begehbar. Zu beiden Seiten befanden sich Wohnhäuser – kleine einfache Holzhäuser. Je näher man dem Zentrum kam, desto dichter waren die Straßenseiten bebaut.
Schon hatte Julia eine Pension entdeckt, in der eine Näherin für Tisch- und Bettwäsche gesucht wurde. Dort würde sie sich als Erstes vorstellen, nahm sich Julia vor.
Die Main Street war eng bebaut; dicht an dicht standen zwei- oder dreistöckige Holzhäuser mit flachen Dächern. In den meisten befanden sich im Erdgeschoss Geschäfte, in der oberen Etage Wohnungen. Vor den Geschäften befanden sich Fußwege aus Holz, sodass man den Straßenschmutz meiden konnte.
Überall wurde gebaut – zumindest waren die Anfänge gemacht. Aber Julia hatte ja bereits erfahren, dass die meisten Zimmerleute ihre Arbeit verlassen hatten, um nach Gold zu suchen.
Auch Lilly hatte schnell gefunden, was sie suchte. Ein Saloon, gelegen zwischen einem Revuetheater und einem Geschäft für französische Kleinmöbel, hatte ihr
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