Gewitter der Liebe
die mich mit ein paar Gramm Goldstaub überreden wollen.«
Dennoch war Julia entsetzt. »Wie kannst du dich nur für ein paar lumpige Dollar an einen Mann verkaufen? Ich begreife das nicht.«
»Ich verkaufe mich nicht«, widersprach Lilly trotzig. »Dass du über meine Beichte nicht begeistert bist, ist mir klar, dabei versuche ich doch nur, mit meinen Reizen Geld zu verdienen, weil es mir einmal besser gehen soll als meiner Familie, die ihr Leben lang gehungert hat und von etwas Wohlstand nur träumen konnte.« Im Gegensatz zu Julia war Lilly, die mit vollem Namen Olivia hieß und von ihren Eltern Liv genannt worden war, in Amerika geboren worden. Doch das kleine Mädchen und seine fünf Geschwister hatten nie etwas anderes gesehen als die tristen Arbeiterviertel von New York.
»Was würde deine Familie sagen, wenn sie wüsste, dass du … in so einem Gewerbe arbeitest?«, versuchte Julia sie zur Vernunft zu bringen. »Und stell dir vor, du erwartest ein Kind von einem dieser Männer?«
»Meine Eltern leben nicht mehr, und was aus meinen kleinen Geschwistern geworden ist, nachdem man sie ins Waisenhaus gesteckt hat, weiß ich nicht.« Sie griff nach Julias Hand. »Im Grunde genommen bist du der einzige Mensch, den ich habe – und ich wäre sehr traurig, wenn du nun nichts mehr mit mir zu tun haben wolltest. Daran, schwanger zu werden, denke ich nicht.«
»Aber du spielst mit dem Feuer, Lilly!«
»So ist das Leben.« Sie grinste. »Sowie ich genug Geld für einen Saloon habe, werde ich wieder ›anständig‹.«
Unwillkürlich musste Julia schmunzeln. Lilly brachte es immer wieder fertig, die Dinge von mehreren Seiten zu betrachten. »Ich werde immer deine Freundin bleiben; dir habe ich es zu verdanken, dass ich in Kalifornien bin, eine gutbezahlte Stellung und einen wunderbaren Mann kennengelernt habe. Und es macht mir nichts aus, mich mit dir öffentlich in der Stadt sehen zu lassen.«
Überschwänglich wurde sie von Lilly umarmt. »Wir werden immer zusammenbleiben, nicht wahr?«
»Natürlich. Und ich möchte, dass du und Nathan Trauzeugen sind, wenn Ross und ich heiraten«, versprach Julia.
»Glaubst du daran, dass er dich heiraten wird?«
Erstaunt schob Julia die Freundin ein Stück von sich. »Warum fragst du?« Ihr fiel wieder ein, dass Lilly während des Trecks ebenfalls ein Auge auf Ross geworfen hatte. Gönnte sie Julia ihr Glück etwa nicht?
Betreten blickte Lilly zu Boden. »Nun …«, druckste sie herum, »… Ross ist ein Glücksritter, und ich kann ihn mir als Ehemann nur schlecht vorstellen.« Als sie Julias verletzte Miene sah, fügte sie schnell hinzu: »Aber du kennst ihn natürlich viel besser als ich. Er liebt dich, also wird er alles dafür tun, damit du glücklich bist. Siehst du, er will dir ein schönes Haus bauen, und er wird dich auf Händen tragen. Das tut kein Mann, wenn er eine Frau nicht inständig liebt.«
Julia setzte ein vages Lächeln auf, doch Lillys Worte hatten sie nachdenklich gemacht.
* * *
Tags darauf erzählte sie Nathan von Lillys Besuch, allerdings nichts darüber, was sie über Ross gesagt hatte.
Nathan nahm die Neuigkeit gelassen auf. »Lilly ist alt genug; sie muss wissen, was sie will. Sie ist ein anderer Mensch als du, deshalb fällt es dir schwer, ihre Beweggründe zu akzeptieren.«
Energisch schrubbte Julia den Verkaufstresen. Sie musste erst in zwei Stunden zur Arbeit, und Virgil war von Nathan zum Hafen geschickt worden, um eine neue Warenlieferung abzuholen. Im Geschäft war es ausnahmsweise ruhig, aber schon am frühen Nachmittag wurde eine Schiffsladung mit neuen hoffnungsvollen Goldsuchern von der Ostküste erwartet. Dann würde der Laden so voll sein, dass Nathan und Virgil bis in die Abendstunden zu tun haben würden, um die Neuankömmlinge mit Ausrüstungen auszustatten.
»Natürlich fällt es mir schwer, mich in Lilly hineinzuversetzen.« Julia schrubbte energisch weiter, obwohl das Holz längst blank war. »Ich sehe sie schon vor mir: grell geschminkt, mit einem tief ausgeschnittenen Dekolleté und einem kurzen Rüschenrock, unter dem man ihre Beine sehen kann!«
Zu ihrer Verblüffung lachte Nathan. »So laufen vielleicht die Mädchen in den Bordellen herum, aber nicht Lilly. Sie kokettiert zwar gern, und es gefällt ihr, wenn die Männer sie anhimmeln. Aber ich kann mir kaum vorstellen, dass sie sich ihnen anbiedert und ihren Körper feilbietet.« Er nahm Julia die Bürste aus der Hand und schob sie ins Büro. »Sieh es einfach mal so:
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