Gewitter der Liebe
noch nicht so spät, dass Nathan schlafen würde – und bis zum Zentrum ging man nur eine Viertelstunde.
Tatsächlich brannte sogar noch im Laden Licht, und Julia klopfte an die Schaufensterscheibe, hinter der nun keine Knöpfe und Zierkragen mehr lagen, sondern nützliche Gerätschaften für die Goldsuche.
Erstaunt trat Nathan aus seinem Büro, aber als er Julia erkannte, erhellte sich sein Gesicht und er kam, so schnell seine Prothese es zuließ, zur Tür.
»Was ist geschehen?«, fragte er, kaum dass er die Tür geöffnet hatte. »Sollte nicht Ross längst bei dir sein?«
»Deshalb bin ich hier.« Sie schlüpfte ins Innere und schlug die Kapuze des Umhangs zurück. »Josh Hofman tauchte vorhin bei mir auf, um mir zu sagen, dass Ross erst zum Jahresanfang zurückkommt.«
Während Nathan sie zum Büro führte, berichtete sie von Ross’ Beweggründen. Sie versuchte, ihre Enttäuschung durch eine muntere Miene zu überspielen, aber Nathan spürte, wie weh es ihr tun musste, von ihrem Liebsten versetzt worden zu sein.
»Ich habe alles für ein Festmahl besorgt«, sagte sie, nachdem Nathan sie auf einen Stuhl gedrückt hatte, »und da dachte ich, dass du und Virgil zum Essen zu mir kommt. Lilly hat zwar versprochen, sowieso vorbeizuschauen, doch sie weiß nicht, wann das sein wird.«
Nathan ließ sich seine Freude nicht anmerken, als er erwiderte: »Ich komme sehr gerne. Und Virgil wird es ebenfalls eine Ehre sein, sich von einer schönen Frau bekochen zu lassen.«
Seine Worte taten ihr gut, und sie fühlte sich gleich nicht mehr so elend wie bei ihrer Ankunft im Laden.
»Ich besorge Wein und Sherry«, bestimmte Nathan. »Wollen wir doch mal sehen, ob wir dich nicht auch ohne Ross zum Lachen bringen können.«
Vielleicht würde es ja doch noch ein schöner Tag werden, sagte sie sich; dann fiel ihr Blick auf den mit Papieren und Zeichnungen übersäten Schreibtisch.
»Was tust du da?«, fragte sie und wies mit dem Kinn auf das Durcheinander. »Das sieht aber nicht nach Buchhaltung aus.«
Er seufzte dramatisch. »Die Buchhaltung wächst mir bald über den Kopf, das gebe ich zu. Eigentlich sollte ich meine karge Freizeit dafür verwenden, aber …«
Sie lachte. »Ja, ich weiß, davor drückst du dich gerne. Wenn du mir zeigt, wie es geht, übernehme ich das für dich.«
»Das würdest du für mich tun?«
»Selbstverständlich«, versicherte sie nickend. »Ich habe jeden Vormittag frei, und nun, da Virgil im Laden hilft, werde ich dort nicht mehr benötigt.«
»Das musst du aber nicht tun, Julia.« Nathan war sichtlich gerührt über dieses Angebot. Doch sie bestand darauf und wiederholte dann noch einmal ihre Frage, mit welchen Zeichnungen sich Nathan am späten Abend beschäftigte.
»Das sind alles nur Entwürfe«, gab er bereitwillig zurück und legte eine der Zeichnungen so hin, dass Julia sie sich genauer anschauen konnte. »Es sind Entwürfe für ein aus Ziegelsteinen gebautes Wohn- und Geschäftshaus.«
Sie machte große Augen. »Dann ist es dir wirklich ernst damit?«
»Allerdings. Früher oder später werden diese Halunken auch im Zentrum Feuer legen, und ich habe keine Lust, mir den Hintern zu verbrennen.« Er rückte etwas näher und zeigte auf den großzügigen Grundriss. »So ähnlich stelle ich mir das neue Haus vor; natürlich werde ich einen Architekten damit beauftragen.«
»Wo soll das Haus stehen?«
»Etwas weiter nördlich der Main Street; dort, wo die beiden nicht mehr benutzten hölzernen Lagerhäuser stehen. Das gäbe einen idealen Bauplatz. Ich hab mich schon nach dem Besitzer erkundigt – es ist die Stadt, die die Lager vermietet hatte, die nun aber schon längere Zeit leer stehen.«
Julia bewunderte ihn wegen seiner Weitsicht. Es war nicht davon auszugehen, dass die Brände eingestellt wurden, solange die Bandstifter nicht hinter Schloss und Riegel saßen, und auch ohne Feuerteufel war ein Holzhaus ständiger Brandgefahr ausgesetzt.
»Hast du denn genug Geld für ein Steinhaus?« Julia erhob sich. »So ein Haus muss doch ein Vermögen kosten.«
Er stand ebenfalls schwerfällig auf. »Ich habe schon mit der Bank gesprochen; da ich ein seriöser Geschäftsmann bin, steht einem höheren Kredit nichts im Wege.«
Erleichtert umarmte sie ihn. »Ich bin so froh, dass du nach deinem Unfall nicht verzweifelt bist. Hast du noch oft Schmerzen?«
»Manchmal – an Stellen des früheren Beines. Dr. Stevens meint, das sei normal. Ich bringe dich nach Hause, es ist schon spät.«
Noch
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