Gewitter der Liebe
der Sorge um die Freundin hantierte Julia in der Küche, bis das ganze kleine Haus von köstlichen Gerüchen durchzogen wurde. Zur Feier des Tages deckte sie den Esstisch im Wohnzimmer mit einem weißen Tischtuch und dem Porzellan, das sie sich inzwischen von ihrem Verdienst gekauft hatte. Es war nichts Besonderes, einfaches weißes Porzellan mit einem feinen zartgrünen Rand – aber für Julia war es das erste Mal in ihrem Leben, dass sie solch ein hübsches Service besaß, und sie war sehr stolz darauf.
Noch immer hoffte sie, dass Ross plötzlich vor der Tür stehen würde, doch als es dunkel wurde, gab sie die Hoffnung endgültig auf. Als Nathans Wagen vorfuhr, atmete Julia erleichtert auf. Wenigstens auf den Freund konnte man sich verlassen; er war pünktlich und zuverlässig, wie man es von ihm gewohnt war.
Noch bevor Julia das Essen aufgetragen hatte, klopfte es erneut an die Tür, und mit klopfendem Herzen eilte Julia, um zu öffnen. Doch es war nicht Ross, sondern Lilly, bepackt mit diversen Geschenken.
»Musst du nicht arbeiten?« Julia freute sich und ließ die Freundin ein. »Du kommst gerade rechtzeitig zum Essen.« Sie nahm Lilly erst die Geschenkpakete ab und half ihr dann aus ihrem Mantel – einem Wollmantel aus schwerem, teuren Tuch.
»Meinem Chef hat es überhaupt nicht gefallen, dass ich mir freigenommen habe. Aber ich sagte ihm, dass ich Weihnachten noch nie gearbeitet habe, weil ich dann lieber mit Freunden meiner Familie feiere.« Sie umarmte Julia.
Es wurde ein harmonischer Abend, an dem Julia nur flüchtig an Ross dachte. Alle lobten ihre Kochkünste, und Virgil behauptete, noch nie so gut gegessen zu haben. Nach dem Essen tauschten sie Geschenke aus, danach servierte Julia Mokka und Gebäck und man nahm auf dem Plüschsofa Platz, das Ross billig erstanden hatte.
Belustigt hörten sie Lilly zu, die einige witzige Begebenheiten aus dem Saloon zum Besten gab. Dort schienen die skurrilsten Menschen aufeinander zu treffen, und bei Weitem handelte es sich nicht nur um Goldsucher, sondern auch um Schiffskapitäne, Händler, Soldaten aus der nahen Garnison und Glücksspielern. »Manchmal jammern mir einige Gäste vor, dass sie niemals reich durch Gold werden würden – aber das wundert mich nicht. Was sie während der Woche finden, geben sie am Samstag in den Saloons wieder aus.« Sie hielt inne. »Ich frage mich nur, was aus denen wird, wenn es kein Gold mehr in Kalifornien gibt.«
»Sie werden reumütig zu ihren Familien an der Ostküste zurückkehren oder versuchen, in San Francisco beruflich Fuß zu fassen«, mutmaßte Nathan und zog genüsslich an seiner Havanna, einer der Zigarren aus dem Holzkistchen, das ihm Julia zu Weihnachten geschenkt hatte. »Arbeit gibt es schließlich genug.«
Lilly zog ihre Nase kraus. »Aber bei vielen würde wohl der Wille für ein bürgerliches Leben fehlen. Sie sind zu Abenteurern geworden und können sich nicht mehr vorstellen, irgendwo sesshaft zu werden.«
An die Möglichkeit, dass eines Tages alles Gold in den kalifornischen Flüssen gefunden sein würde, hatte Julia überhaupt noch nicht gedacht. Was würde Ross dann tun? Sie konnte ihn sich schlecht als braven Arbeiter vorstellen, aber irgendetwas würde er machen müssen – es sei denn, er fand so viel Gold, dass er nie wieder arbeiten musste.
»Warum bist du so still geworden?«, erkundigte sich Nathan plötzlich. »Langweilen dich Lillys Erzählungen?«
Energisch schüttelte sie den Kopf. »Ich musste nur grade an Ross denken. Was er wohl gerade macht?«
»Vermutlich schläft er bereits, denn Goldschürfen ist harte Arbeit. Oder er sitzt mit einigen anderen Männern bei einem guten Schluck zusammen und denkt bei sich, dass es sehr dumm von ihm gewesen ist, zum Fest nicht heimzukommen.«
Sie warf Nathan ein Lächeln zu. Er verstand es immer wieder, sie aufzumuntern. »Nächstes Jahr um diese Zeit wird unser neues Haus längst fertig sein, und dann wird er bestimmt hier sein.«
»Ganz bestimmt«, versicherte Lilly. »Gerade heute wird er merken, dass du ihm fehlst. An deiner Stelle würde ich ihm gehörig die Meinung sagen, wenn er das nächste Mal hier auftaucht.«
»O nein, das werde ich nicht tun! Er macht das alles doch nur für mich, damit ich ein hübsches Zuhause habe und damit wir bald heiraten können.«
»Trotzdem hätte er gerade heute hier sein müssen«, sagte Lilly vorwurfsvoll. »Es gehört sich nicht, seiner zukünftigen Ehefrau so lange fernzubleiben.«
Nathan äußerte
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