Gewitter der Liebe
Glück versuchte.
Oft weinte sich Julia abends in den Schlaf, weil sie Ross so sehr vermisste … und auch die stets gutgelaunte Lilly. Nathan war ihr als Freund geblieben, obwohl es sie noch immer ärgerte, dass er keine Partei für sie ergriff und keine Anstalten machte, mit Lilly zu brechen, die sich nun auch nur noch sporadisch bei dem gemeinsamen Freund blicken ließ. Dies wiederum sah Julia als ein weiteres Indiz an, dass Lilly sich vor Nathan schämte.
Das Zentrum von San Francisco war mittlerweile so stark angewachsen, dass man sich nicht mehr zwangsläufig über den Weg lief, was Julia ganz recht war. Sie hätte nicht gewusst, wie sie reagieren sollte, wenn die ehemalige Freundin plötzlich vor ihr stünde.
Ross kam zurück, als sich Julias erste Rundungen zeigten. Wieder brachte er nur eine magere Ausbeute heim, gerade genug, um dem Möbelhändler die restliche Rate zu zahlen und einige Wochen sorgenfrei leben zu können.
Julias Bäuchlein beachtete er kaum, war ansonsten jedoch so zärtlich wie gewohnt. Glücklicherweise erkundigte er sich nicht nach Lilly, denn Julia hätte kaum gewusst, was sie antworten sollte. Keinesfalls durfte er von den böswilligen Anschuldigungen erfahren, die Lilly in die Welt gesetzt hatte. Das würde ihn nur unnötig wütend machen, und Julia war froh, wenn er guter Laune war.
Als er einmal unbewusst Julias Bauch berührte, zog er seine Hand blitzschnell weg, als hätte er sich verbrannt, und nuschelte eine Entschuldigung.
»Du kannst mich ruhig dort berühren«, sagte sie amüsiert. »Unser Baby beißt dich nicht. Manchmal spüre ich seine Bewegungen, wenn es strampelt.«
Er kratzte sich verlegen am Kopf. »Nun ja, für einen Mann sind solche Situationen etwas unheimlich. Glaubst du, dass es ein Junge wird?«
»Mir ist es egal, ich würde ein kleines Mädchen genauso lieben. Aber jeder Mann möchte natürlich zuerst einen Stammhalter, der seinen Namen weiterträgt.«
Zu ihrem Bedauern übersah Ross den Wink mit dem Zaunpfahl, und anstatt von einer Hochzeit zu sprechen, redete er ausgiebig über seine Erlebnisse auf den Goldfeldern, die Julia bereits zur Genüge kannte. Doch wie üblich hörte sie geduldig zu, als er davon sprach, wie sicher er sich sei, bald ein riesiges Nugget zu finden.
»Wenn das passiert, wirst du nicht mehr arbeiten müssen«, sagte er. »Dann kannst du wie die feinen reichen Damen den ganzen Tag im Café und mit Schneiderbesuchen verbringen.«
»Das ginge nicht, immerhin habe ich bald mit unserem Kind zu tun.«
»Wir werden ein Kindermädchen einstellen«, argumentierte er und zog sie an sich. Er redete, als stünde bereits fest, dass er bald in Geld baden könne. Julia sah es ihm nach – wenn es um dieses Thema ging, benahm er sich wie ein kleiner Junge, und sie wollte ihm die Freude an seinem harten Beruf nicht nehmen.
Der zweite Treck aus Missouri traf ein, und den Ankommenden bot sich ein weit erfreulicherer Anblick als Julia und ihren Mitfahrern. Die schäbigen Hütten und schmuddeligen Zelte waren längst fort, inzwischen waren an jenen Stellen ganze Wohnsiedlungen von schmucken Holzhäusern entstanden, Straßen waren befestigt worden und das Zentrum hatte sich verändert. Nach Nathan hatten etliche Kaufleute und Privatpersonen ihre feuergefährdeten Holzhäuser abgerissen und sie durch feste Ziegelgebäude ersetzt.
Ross und Julia waren bei den ersten Bürgern, die die Neuankömmlinge begrüßten. Auch beim zweiten Treck durch die Sierra Nevada hatte es einige Todesfälle gegeben, und etliche waren vorher nach Oregon abgebogen, doch diejenigen, die es geschafft hatten, waren voller Hoffnungen gekommen. Diesmal waren auch sehr viele Frauen dabei – den meisten jedoch sah man an, dass sie im horizontalen Gewerbe arbeiten wollten.
Mit einem bitteren Zug um den Mund fragte sich Julia, ob es nicht schon genug Huren in San Francisco gab.
Familien hingegen sah man kaum, die Männer wollten Frauen und Kindern den beschwerlichen Weg auf dem Landweg ersparen; einige erwähnten, dass ihre Familien mit dem Schiff nachkommen sollten, sowie sie genug Gold gefunden hatten.
Julia hielt sich bei diesen Gesprächen zurück, denn sie wusste längst, dass die meisten Männer umsonst gekommen waren. Die Goldfunde rund um San Francisco wurden immer spärlicher, und die Zeit der Millionäre war zu Ende.
Während Ross einer interessierten Gruppe von seinen Erfahrungen erzählte, machte sich Julia auf den Heimweg. Der Anblick des Trecks erinnerte sie
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