Gewitter der Liebe
schmerzhaft an das Jahr zuvor, als sie und Lilly beste Freundinnen gewesen waren und zwar viel Entbehrungen hatten erleiden müssen, jedoch auch viel Spaß gehabt hatten.
Spontan wählte Julia schließlich den Weg zu Nathans neuem Geschäft; sie hätte es jetzt nicht ertragen, allein zu sein. Wie immer empfing Nathan sie mit offenen Armen, und natürlich wollte er alles über den Treck erfahren. Er bemühte sich, seinen Blick von Julias Bäuchlein zu nehmen, durch das der Rockbund bereits etwas spannte.
»Die Leute sind genau so enthusiastisch wie wir damals«, sagte Julia und nahm dankend die Tasse heiße Schokolade an, die Nathan ihr zubereitet hatte. »Aber diese Frauen, die dieses Mal dabei sind …«
»Was ist mit ihnen?«
»Sie sind von … Lillys Sorte.« Julia spie diese Worte fast aus. »Es ist mir unerträglich, sie anzusehen.«
Er betrachtete sie eingehend, bevor er sagte: »Bis zu eurem Zerwürfnis hast du nie schlecht über Lillys Tätigkeit geredet.«
»Aber jetzt sehe ich diese Dinge in einem ganz anderen Licht!«, begehrte sie auf. »Ich dachte immer, Lilly wäre trotzdem ein anständiger Mensch geblieben, aber ich habe mich getäuscht.«
»Schade, dass sie sich bei mir auch kaum noch sehen lässt.«
Sie lachte hart auf. »Vielleicht solltest du froh darüber sein, Nathan. Womöglich wäre ihre Anwesenheit nicht gut für dein Geschäft.«
»Jetzt übertreibst du aber! Lilly ist immer ordentlich gekleidet, und sie ist keins von den billigen ordinären Mädchen, die man in San Francisco immer häufiger sieht.«
»Du nimmst sie also in Schutz?«
Tief sog er die Luft ein. Seitdem Julia schwanger war, schien sie oft launisch zu sein. »Jetzt dreh mir bitte nicht das Wort im Munde um. Ich weiß nicht, ob Lilly die Wahrheit gesagt hat oder ob sie wirklich ein Auge auf deinen Ross geworfen hat. Ich kann nicht beurteilen, ob sie eine Lügnerin ist.« Das stimmte nur zur Hälfte, denn eigentlich war er davon überzeugt, dass Lilly nicht gelogen hatte.
Es dunkelte bereits, als Julia aufbrach. Den Wagen hatte sie bei Ross gelassen, aber es machte ihr nichts aus, zu Fuß nach Hause zu gehen, obwohl sie nun einen längeren Weg hatte als bis zum Hafen.
Zu Hause brannte kein Licht, also musste Ross sich noch immer bei dem angekommenen Treck befinden. Julia bereitete das Abendessen vor, doch Ross ließ sich nicht blicken. Sie hielt das Essen den ganzen Abend warm, während sie immer wieder aus dem Fenster des abgedunkelten Wohnzimmers starrte.
Schließlich gab sie das Warten auf und ging schlafen. Das Kind in ihr beanspruchte viel Ruhe. Irgendwann mitten in der Nacht hörte sie Ross auf Zehenspitzen ins Schlafzimmer schleichen, und sie roch, dass er getrunken hatte. Sie stellte sich schlafend – eine Szene zu machen, wäre nicht ratsam, denn sie wollte Ross auf keinen Fall vergraulen.
Am nächsten Morgen erwähnte er mit keinem Wort sein spätes Heimkommen. Erst als Julia zaghaft nach den neuen Leuten fragte, bekannte Ross knapp, dass er einigen Männern zu später Stunde das Zentrum gezeigt und in einem Saloon gelandet war. Sofort musste Julia an das Red Carpet denken, ließ sich jedoch nichts anmerken. Erst als Ross ihr mitteilte, dass er in wenigen Tagen aufbrechen wollte, um die Neulinge zum Fluss zu führen, horchte Julia auf.
»Jetzt schon? Du bist doch erst seit drei Wochen wieder zurück.«
Seine Augen glitzerten bereits wieder vor Abenteuerlust, als er erklärte, dass er schließlich Geld verdienen müsse. »Das Gold kommt nicht zu mir, ich muss mich schon auf die Suche danach machen. Das verstehst du doch, oder?«
»Sicher, aber uns geht es doch eben gut, und mein Verdienst reicht, um uns zu ernähren.«
»Ich will aber nicht, dass du uns ernährst.« Seine Stimme klang ungewohnt scharf, doch als er Julias Erschrecken sah, lenkte er sogleich wieder ein, umarmte sie und strich ihr sanft über den Rücken, was sie immer sehr beruhigte. »Sieh mal, es gibt sicher viele Männer, denen es nichts ausmacht, sich von einer Frau aushalten zu lassen, aber zu dieser Kategorie gehöre ich nun mal nicht.«
»Das ist doch Unsinn.« Sie machte eine umfassende Handbewegung. »Das alles hier hast du mit deiner Arbeit ermöglicht und …«
Widerstrebend löste er sich von ihr. »Ich will aber mehr. Bald sind wir zu dritt, das bedeutet einen Esser mehr.«
Innerlich erschauerte sie, weil er so unsentimental von ihrem Kind sprach, nickte jedoch ergeben, weil ihr nichts anderes übrig blieb.
»Morgen
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