Gilgamesch - Der Untergang
Menschen verstanden. Damit verwirrte er aber die Sprache aller Menschen, sodass keiner mehr den anderen verstand. Das Misstrauen wuchs zwischen ihnen und Kriege waren die Folge, die alles Leben zu vernichten drohten. Da zog der letzte Ritter sein Schwert. Martinus schwang es durch die Luft und ein Sturm fegte über die Welt und vertrieb den vergifteten Atem der Menschen, sodass ihre Sprache wieder rein wurde und Liebe und Gerechtigkeit zurückkehrten unter sie.
Das Rad der Zeit durchlief in der dunkelsten aller Nächte seinen tiefsten Punkt und ein neuer Umlauf begann am Anfang eines neuen Zeitalters, das die vier Ritter der Rose mit Licht erfüllt hatten, einem Licht, das die Finsternis für Tausende von Jahren nicht besiegen könnte. Sie erreichten gemeinsam ihr Ziel, indem jeder den Kampf aufnahm, auf den er von seiner Geburt an vorbereitete worden war. Nur zusammen waren sie stark genug, dem Weltverschlinger Einhalt zu gebieten, bis der Lauf der Zeit erneut vollendet wäre.
An diesem fernen Tag würden die Kinder ihrer Kinder als Ritter der Rose zurückkehren, um dem Licht erneut zum Sieg über die Finsternis zu verhelfen.
Martin war in eine seltsame Trance gefallen. Die Stimme seines Vaters hatte sich über die vielen Jahre nicht verändert und ihn in die unbeschwerten Kindertage zurückversetzt, als ihre Familie noch vollständig und nicht vom Tod der Mutter überschattet war.
Auch sein Vater schien auf eine eigenartige Weise abwesend zu sein. Hatte der Wein eine derart starke Wirkung auf sie? Martin trank selten, doch er wusste, wie sich zu viel Rotwein anfühlte, und das war anders.
Sein Vater schaute ihn an, und in seinen Augen lag das gleiche Erstaunen.
„Ich habe den Wein zu Deiner Geburt zurückgelegt. Es war aber nicht meine Idee, sondern eigentlich das Geschenk des damaligen Großmeisters an mich. Er schärfte mir ein, die Flasche unbedingt aufzubewahren, bis ich das Gefühl hätte, der richtige Zeitpunkt sie zu öffnen sei gekommen“.
Hermann Hesse runzelte die Stirn und dachte angestrengt nach. „Dann sagte er noch etwas Seltsames. Es seien uralte Reben von einem Weingut weit im Osten, das seit zweitausend Jahren im Besitz derselben Familie sei. Diese Familie seien direkte Nachfahren von vier weisen Rittern und Astronomen aus Bagdad, die auf der Suche nach einem neuen Stern das Gehöft gründeten und einen von ihnen dort zurück ließen.
Sie setzten die Suche nach dem Ort des Sterns zu dritt fort und kehrten nie wieder zurück. Der vierte Ritter und seine Kinder pflegten die Weinstöcke und hüteten ein Geheimnis, das ihnen anvertraut worden war, über viele Generationen bis zum heutigen Tage.“
Hermann Hesse schaute auf und lächelte seinen Sohn an.
„So lautete die Legende. Die Ähnlichkeit mit jenem Märchen, das ich Dir als Kind immer erzählt, und das ich selbst von meiner Mutter so oft gehört habe, ist nicht zu übersehen. Die Geschichte wird seit Generationen in der Fraternitas Rosae von Eltern an ihre Kinder weitergegeben“.
Martin Hesse nahm die Flasche und roch an der dunklen Flüssigkeit. Der Duft war sehr würzig, fast orientalisch.
Eine Droge? Er begutachtete das unleserliche Etikett, drehte die Flasche und schaute durch das Glas auf die Rückseite des vergilbten Papiers.
„Da steht etwas!“
Hermann Hesse schaute erstaunt auf. „Wo?“
„Auf der Rückseite des Etiketts ist eine lange Zahlenfolge. Moment. Ich löse es vorsichtig ab“.
Martin ging zum Waschbecken in dem kleinen Bad im Nebenraum und benetzte die Flasche. Die Verbindung zwischen dem alten Glas und dem Papier war nicht sehr fest. Er zog es ab, drehte es um und ging zurück in das Büro seines Vaters.
„Sieh mal einer an“. Er legte es auf den Schreibtisch und Hermann Hesse beugte sich interessiert über das alte Etikett. „Kannst Du damit etwas anfangen?“, fragte ihn sein Sohn.
„Hmmm. Ich habe keine Ahnung. Vielleicht ein Code? Du bist doch Computerspezialist und kennst sicher einige Hacker, die mit ein paar Algorithmen Sinn in diesen scheinbar sinnlosen Ziffernhaufen hineindeuten können, oder?“
„Vater, Du bist selbst Physiker. So billig kommst Du mir nicht davon“.
Hermann Hesse brummelte etwas und setzte seine Brille auf, um sich widerwillig noch einmal den Zahlen zu widmen. Martin war immer der Puzzlespieler und Tüftler gewesen, während Hermann Hesse für seine Ungeduld bekannt war, die ihm zwar brillante Ideen schenkte, nicht aber die Ausdauer, sie in allen mühsamen Details
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