Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
GLÄSERN (German Edition)

GLÄSERN (German Edition)

Titel: GLÄSERN (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rona Walter
Vom Netzwerk:
Herr sein. Tiefe Nacht und kalte Finsternis seien nie eine Erlösung für die noch unverheirateten Frauen, die hoffen, in ein umsorgtes Leben zu entfliehen.

    Es wird wohl immer ein Geheimnis bleiben, was ihn so verführerisch machte.

    Weiterhin sagt man, in seinem Schloss sollen sich genau hundert Säle befinden. Jeden davon darf die Braut öffnen, mit all den Schätzen, Kleidern, Bädern. Ja, sogar magische Wälder sollen sich hinter der einer oder andern Tür verbergen. Alles Mitbringsel von seinen Reisen.

    Wo allerdings das kalte Schloss stehen sollte, konnte der Alte nicht mit Bestimmtheit sagen. Da der Lord jedoch oftmals in Frankreich auftrat, vermutete er es dort, irgendwo in einem abgelegenen Winkel des Landes.
    Der Alte erzählte, laut der Geschichten der Waschweiber übergibt der ›Blaue Ritter‹, wie sie ihn in Deutschland bald nannten, seiner neuen Braut den Schlüsselbund, der allzu schwer wiegt und zu allen Räumen Eintritt gewähren soll. Nur eine Tür solle verschlossen bleiben. Eine, die sich von den anderen nicht unterscheidet und allein dem Lord gehört. Dieser Schlüssel ist golden und fein, nicht grob und eisern wie seine Brüder.
    Mein schlauer Geschichtenerzähler deutete dies als eine Art Unterwerfungsritual, als Verlockung und Verdammnis zugleich.

    Doch gleich nach der Hochzeit und sogar noch, bevor eine Liebesnacht stattfindet, so sagen sie, verlässt er erneut Schloss und Land. Und wer die Weibsbilder kennt, erkennt hier unschwer, dass er sich ihre angeborene Neugierde zunutze macht, ihre innere Bedrängnis, auch diese eine, verbotene Tür zu durchschreiten und zu sehen … nur kurz zu sehen, was es wohl sein mag, das sich dahinter verbirgt.
    Nun, hier gibt es keine Schätze und fabelhaftes Interieur. Keine Juwelen und Schmuckkleider. Nur den Tod und Pein bis ins innerste Mark, verborgen in einer blutigen Kammer aus Leid und Schmerz.
    Der Ungehorsam der Bräute legalisiert ihren Tod, macht es nur fair, dass sie bestraft werden, sobald ihr Bräutigam zu ihnen zurückkehrt. Er hat eine besondere Bindung zu seinem Schloss, und sobald die verbotene Tür von der Neugierigen geöffnet wird, soll sich der feine goldene Schlüssel wie von Zauberhand blutrot färben. Andere behaupten, er soll den Fingern der Damen vor Grauen entgleiten und auf blutgetränkten Grund fallen. Das Blut soll sich nicht mehr entfernen lassen, weder von den Händen der jungen Braut, noch dem Gold. Solange, bis ihr Herr wiedergekehrt ist.
    Zumindest für den Lord ist es nun an der Zeit, endlich seine eigene Lust zu befriedigen – und die Braut zu bestrafen. Der Preis: das Höchste, was die junge Frau imstande ist, zu bezahlen. Und damit ist nicht ihr prächtigster Hut gemeint.

    Die dunkle Magie verräterischer Schlüssel und irreführender Räume schreckte uns nun nicht mehr ab und mittels schwerer Kerzenständer, Stühle und allerlei massiver Gebrauchsgegenstände schafften Kieran und ich es nach einer gefühlten Unendlichkeit, das vermaledeite Holz zum Bersten zu bringen. Alle schlechten Empfindungen, die man in einer solchen Situation besser nicht haben sollte, tosten durch meinen Körper wie ein Orkan. Zorn, Angst, Ohnmacht – alles hoch dosiert.
    Wir folgten überstürzt einem kurzen Gang, der sich hinter den zersplitterten Holzresten, die noch quietschend in den Angeln hingen, wie ein gefräßiger Schlund auftat, und flogen beinahe ein paar Stufen hinab, die sich direkt dahinter befanden. Wir landeten in einem kleinen Kellerraum, den ich bereits kannte. Trotz blinder Raserei erkannte ich völlig überrascht, dass er dieses Mal völlig sauber war. Nicht wie in meinem Traum, ein Drecksloch mit rostigen Haken und Eisen. Auch hingen keine Ketten an den Wänden, nur der längliche schmale Tisch stand an seinem Platz. Lächerlicherweise suchte ich die Gläser mit den großen Libellen. Wie konnte das nur sein! Dieser Raum war meinem nächtlichen Horrorszenario nachempfunden, als hätte ich ihn zuvor gesehen und unbewusst in meinem Hirn abgespeichert. Ungläubig versuchte ich mich aufzuwecken, aus einem erneuten Traumgespinst. Doch als aus einem angrenzenden Raum keuchende Geräusche zu uns drangen, drängte Kieran sich an mir vorbei und ich blieb unfreiwillig hinter seinem Rücken verborgen.
    »Du bleibst besser hinter mir. Ich will nicht, dass du etwas Blödsinniges anstellst. Komm.« Er nickte in Richtung der Geräusche.
    Ein wenig erleichtert, dass seine breiten Schultern mich sowohl zügelten als auch erst

Weitere Kostenlose Bücher