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Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Titel: Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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anzuvertrauen?« sagte sie, um auf eine erstaunte Geste zu antworten, die Camusot machte. »Nun, kann nicht der Oberstaatsanwalt, der ein so lebhaftes Interesse an der Ehre des Herrn und der Frau von Sérizy nimmt, die ganze Angelegenheit von der zweitinstanzlichen Kammer übernehmen lassen, um einen ihm ergebenen Königlichen Rat zu ernennen, damit er eine neue Voruntersuchung einleitet?« »Ah, meine Liebe, wo hast du deinen Strafprozeß studiert?« rief Camusot. »Du weißt alles, du bist mein Meister...« »Wie, du glaubst, Herr von  Granville werde nicht morgen früh vor dem drohenden Plädoyer eines liberalen Advokaten erschrecken, den dieser Jakob Collin wohl zu finden wissen wird? Denn man wird ihm Geld dafür bieten, ihn verteidigen zu dürfen!... Diese Damen wissen ebensogut, um nicht zu sagen besser als du, in welcher Gefahr sie schweben; sie werden es dem Oberstaatsanwalt sagen; und schon sieht er diese Familien dicht an die Bank der Angeklagten gezerrt, da dieser Sträfling mit Lucien von Rubempré, dem Verlobten des Fräuleins von Grandlieu, dem Geliebten Esthers, dem ehemaligen Liebhaber der Herzogin von Maufrigneuse, dem Angebeteten der Frau von Sérizy, im Bunde lebte. Du mußt also in einer Weise vorgehen, daß du dir das Wohlwollen deines Oberstaatsanwalts, den Dank des Herrn von Serizy und den der Marquise d'Espard und der Gräfin du Châtelet gewinnst, daß du die Empfehlung der Frau von Maufrigneuse verstärkst durch die des Hauses Grandlieu und daß dein Präsident dir Komplimente macht. Ich übernehme die Damen d'Espard, von Maufrigneuse und von Grandlieu. Du mußt morgen früh zum Oberstaatsanwalt gehen. Herr von Granville ist ein Mann, der nicht mit seiner Frau zusammen lebt; er hat einige zehn Jahre hindurch ein Fräulein von Bellefeuille zur Geliebten gehabt, die ihm uneheliche Kinder schenkte, nicht wahr? Nun also, dieser Richter ist kein Heiliger, er ist ein Mensch, wie alle andern auch; man kann ihn verführen, er gibt schon irgendwo eine Handhabe; man muß seine Schwäche entdecken und ihm schmeicheln; frag ihn um Rat, zeig ihm die Gefahren der Angelegenheit; kurz, versuche ihn mit dir zu kompromittieren, und du wirst ...« »Nein, ich sollte die Spur deiner Schritte küssen!« sagte Camusot, indem er seine Frau unterbrach, sie um die Hüften faßte und ans Herz drückte; »Amelie, du rettest mich!« »Ich habe dich von Alençon nach Nantes geschleppt und von Nantes an den Gerichtshof der Seine,« erwiderte Amelie. »Nun sei ruhig!... Ich will, daß man mich in fünf Jahren Frau Präsidentin nennt; aber mein Liebling, denke doch immer gründlich nach, ehe du einen Entschluß fassest! Der Beruf eines Richters ist nicht der eines Feuerwehrmannes; deine Papiere stehen nie in Flammen, du hast Zeit zur Überlegung; deshalb sind Dummheiten in deiner Stellung unentschuldbar...« »Die Kraft meiner Stellung liegt einzig in der Identität des falschen spanischen Priesters mit Jakob Collin,« fuhr der Richter nach einer langen Pause fort. »Ist diese Identität einmal sicher festgestellt, so bleibt das, selbst wenn das Gericht zweiter Instanz den Prozeß übernehmen sollte, eine Tatsache, die kein Beamter beseitigen kann, sei er nun Richter oder Rat. Ich habe es dann wie die Kinder gemacht, die der Katze eine Schelle an den Schwanz binden; wo auch die Voruntersuchung in dem Verfahren stattfinde, überall werden Jakob Collins Ketten rasseln.« »Bravo!« sagte Amelie. »Und der Oberstaatsanwalt wird sich lieber mit mir verständigen wollen, da ich allein dieses Damoklesschwert wegnehmen kann, das über dem Faubourg Saint-Germain hängt, als mit irgendeinem andern!... Aber du weißt nicht, wie schwer es ist, dieses sonderbare Resultat zu erreichen... Eben sind der Oberstaatsanwalt und ich noch in seinem Zimmer übereingekommen, Jakob Collin als das gelten zu lassen, wofür er sich ausgibt, als einen Stiftsherrn des Kapitels von Toledo, als Carlos Herrera; wir haben uns dahin geeinigt, ihn einfach als diplomatischen Gesandten anzuerkennen, zuzugeben, daß die spanische Gesandtschaft seine Freilassung verlangt. Auf Grund dieses Plans habe ich den Bericht erstattet, der Lucien von Rubempré in Freiheit setzt; ich habe die Protokolle neu aufgesetzt und meine Gefangenen weiß gewaschen wie Schnee. Morgen sollen Herr von Rastignac, Bianchon, und ich weiß nicht wer noch, mit dem angeblichen Stiftsherrn des Königlichen Kapitels von Toledo konfrontiert werden; sie werden Jakob Collin, der vor

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