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Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Titel: Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Jakob Collin hat eine Tante, eine wirkliche, keine künstliche Tante; eine Frau, über die die politische Polizei der Präfektur eine Notiz geschickt hat. Er ist der Schüler und Abgott dieser Frau, der Schwester seines Vaters; sie heißt Jakobine Collin. Dieses Weib hat einen Kleiderhandel, und mit Hilfe der Beziehungen, die sie sich durch dieses Gewerbe verschafft hat, dringt sie in viele Familiengeheimnisse ein. Wenn Jakob Collin diese Papiere, die ihm zur Rettung werden können, irgend jemandem anvertraut hat, so hat er sie der Obhut dieses Geschöpfes übergeben; lassen Sie uns dieses Weib verhaften ...«
    Der Oberstaatsanwalt warf einen seinen Blick auf Camusot, einen Blick, der etwa sagen sollte: ›Dieser Mensch ist nicht so dumm, wie ich gestern glaubte; nur ist er noch jung, er weiß mit den Zügeln der Justiz noch nicht umzugehen.‹
    »Aber«, fuhr Camusot fort, »damit es gelingt, müssen wir alle Maßregeln, die wir gestern getroffen haben, abändern, und ich komme, um Sie um Ihren Rat, um Ihre Befehle zu bitten ...«
    Der Oberstaatsanwalt nahm sein Papiermesser und schlug leise damit auf den Tischrand: eine Geste, wie sie allen Denkern vertraut ist, wenn sie sich völlig der Überlegung hingeben. »Drei hohe Familien in Gefahr!« rief er aus. »Hier darf man keinen einzigen Schnitzer machen! Sie haben recht, wir müssen Fouchés Grundsatz befolgen: ›Verhaften wir!‹ Wir müssen Jakob Collin auf der Stelle wieder in Geheimhaft bringen.« »So geben wir zu, daß er der Sträfling ist! Damit beflecken wir das Andenken Luciens ...« »Was für eine furchtbare Angelegenheit!« sagte Herr von Granville; »alles ist gefährlich!«
    In diesem Augenblick trat der Direktor der Conciergerie ein; nicht freilich, ohne zuvor anzuklopfen, aber ein Zimmer wie das des Oberstaatsanwalts wird so genau bewacht, daß nur solche, die mit dieser Behörde vertraut find, an die Tür klopfen können.
    »Herr Graf,« sagte Herr Gault, »der Untersuchungsgefangene, der den Namen Carlos Herrera führt, wünscht Sie zu sprechen.« »Hat er mit irgend jemandem Verkehr gehabt?« fragte der Oberstaatsanwalt. »Mit den Gefangenen, denn er ist seit ungefähr halb acht auf dem Hof. Er hat den zum Tode Verurteilten gesehen, der ihm gegenüber ›geredet‹ zu haben scheint.«
    Herr von Granville erkannte auf ein Wort des Herrn Camusot, das ihm wie ein Lichtstrahl aufging, wieviel Nutzen man für die Herausgabe der Briefe aus einem Geständnis der Freundschaft Jakob Collins mit Theodor Calvi ziehen konnte. Er war glücklich, daß er einen Grund hatte, die Hinrichtung zu verschieben, und rief Herrn Gault durch eine Geste zu sich zurück. »Es ist meine Absicht,« sagte er, »die Hinrichtung auf morgen zu verschieben; aber in der Conciergerie darf man von dieser Verzögerung nichts merken. Absolutes Schweigen! Der Scharfrichter soll tun, als ginge er, um die Zurüstungen zu überwachen. Schicken Sie uns diesen spanischen Priester unter guter Bewachung hierher; die spanische Gesandtschaft verlangt seine Auslieferung. Die Gendarmen mögen Ihren Herrn Carlos über Ihre Privattreppe führen, damit er niemanden sehen kann. Warnen Sie die Leute, damit sie ihn zu zweit festhalten, jeder an einem Arm, und daß sie ihn erst an der Tür meines Zimmers loslassen. Sind Sie sicher, Herr Gault, daß dieser gefährliche Ausländer nur mit den Gefangenen hat reden können?« »Nein; in dem Augenblick, als er aus der Kammer des zum Tode Verurteilten kam, erschien eine Dame, um ihn zu sprechen.«
    Die beiden Richter tauschten einen Blick aus, und was für einen Blick!
    »Was für eine Dame?« fragte Camusot. »Eins seiner Beichtkinder ... eine Marquise,« erwiderte Herr Gault. »Immer schlimmer!« rief Herr von Granville, indem er Camusot ansah. »Die Gendarmen und Aufseher haben Kopfschmerzen bekommen durch sie,« sagte Herr Gault bestürzt. »In Ihrem Amt ist nichts bedeutungslos,« sagte der Oberstaatsanwalt streng. »Die Conciergerie ist nicht umsonst so vermauert, wie sie es ist. Wie ist diese Dame hereingekommen?« »Mit einem ordnungsmäßigen Erlaubnisschein, Herr Graf,« erwiderte der Direktor. »Diese vollkommen gut gekleidete Dame kam in einer Equipage, begleitet von einem Jäger und einem Lakaien, um ihren Beichtvater zu sehen, ehe sie zur Beerdigung des unglücklichen jungen Mannes ging, den Sie wegschaffen ließen.« »Bringen Sie mir den Erlaubnisschein der Präfektur,« sagte Herr von Granville. »Er ist auf Empfehlung Seiner Exzellenz des

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