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Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Titel: Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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solche Liebe, wie die Frauen sie einem Manne nur äußerst selten gewähren. Die Frauen, die sagen, sie liebten mit der höchsten Liebe, und die es zuweilen selber glauben, tanzen und kokettieren mit andern Männern, sie putzen sich für die Gesellschaft und suchen in ihr ihre Ernte begehrlicher Blicke; aber Esther hatte, ohne daß es ein Opfer war, die Wunder echter Liebe vollbracht. Sie hatte Lucien sechs Jahre lang geliebt, wie die Schauspielerinnen und die Kurtisanen lieben, die, hinabgestoßen in den Schlamm und die Unsauberkeit, nach dem Adel und der Hingebung wahrer Liebe dürsten und die dann ausschließlich in ihr leben. (Müßte man nicht ein ganz besonderes Wort für einen Begriff erfinden, dem so außerordentlich selten seine Wirklichkeit entspricht?) Die entschwundenen Nationen, Griechenland, Rom und der Orient, haben die Frau stets eingesperrt; die Frau, die liebt, sollte sich von selbst einsperren. Man kann sich also denken, daß Esther, als sie aus dem eingebildeten Palast kam, in dem sich dieses Fest, diese Dichtung abgespielt hatte, um in das ›glaine Balais‹ eines kalten Greises hinabzusteigen, von einer Art moralischer Krankheit befallen wurde. Von einer eisernen Hand geschoben, war sie schon bis zur halben Höhe des Körpers hineingewatet in die Ehrlosigkeit, ohne auch nur überlegen zu können; aber seit zwei Tagen dachte sie nach, und sie fühlte tödliche Kälte im Herzen. Bei den Worten: ›auf der Straße zu enden‹ stand sie jäh auf und sagte: »Auf der Straße zu enden? ... Nein, eher will ich in der Seine enden ...« »In der Seine? ... Und Herr Lucien? ...« fragte Europa.
    Dieses einzige Wort warf Esther in ihren Sessel zurück, in dem sie sitzen blieb, die Augen auf eine Rosette des Teppichs geheftet. Ihr Kopf glühte, sie war tränenlos. Um vier Uhr fand Nucingen seinen Engel versunken in jene Flut von Reflexionen und Entschließungen, welcher das weibliche Gemüt sich hinzugeben pflegt und aus dem es mit Worten emportaucht, wie sie allen, die nicht mit ihr vertraut sind, unverständlich bleiben müssen.
    »Klätten Se die Schdirn, maine Schöne,« sagte der Baron, indem er sich neben sie setzte. »Sie sollen gaine Schulten mehr haben. Ich werde mich verschdändigen mit Eischenie, und in ainem Monat sollen Se verlassen diese Wohnung, um in ain glaines Balais ßu ßiehen ... Ach, was fier aine raizende Hand!... Keben Se her, daß ich se kisse.« Esther ließ ihre Hand nehmen, wie ein Hund die Pfote gibt. »Ah! Sie keben die Hant, aber nicht das Herz ... und ich liebe das Herz ...«
    Das wurde mit einem solchen Ausdruck von Wahrheit gesagt, daß die arme Esther mit einem Mitleid, das ihn fast wahnsinnig machte, die Augen zu dem Greis erhob. Liebende fühlen sich ebenso wie Märtyrer als Brüder einer und derselben Folter! Nichts in der Welt versteht sich so gut wie zwei gleiche Schmerzen. »Der arme Mensch!« sagte sie, »er liebt.«
    Als der Baron diese Worte hörte, deren Sinn er mißverstand, wallte ihm das Blut in den Adern, und er atmete Himmelsluft. In seinem Alter bezahlen Millionäre eine solche Empfindung mit so viel Gold, wie die Frauen ihnen dafür abverlangen.
    »Ich lieb Sie ebensosehr, wie ich maine Tochter liebe!...« sagte er; »und ich fiehle da,« fuhr er fort, indem er die Hand aufs Herz legte, »daß ich Sie nicht anders als klücklich sehen kann.« »Wenn Sie nur mein Vater sein wollten, so würde ich Sie von Herzen lieben, Sie nie mehr verlassen, und Sie würden erkennen, daß ich keine schlechte Frau und weder feil noch habgierig bin, wie es in diesem Augenblick den Anschein hat ...« »Sie haben Ihre glainen Tummheiten kemacht,« erwiderte der Baron, »wie alle hipschen Frauen, weiter nix. Reden wir nicht mehr davon. Es ist unser Beruf, fier Sie Keld zu vertienen ... Seien Sie klücklich: ich will kern fier ain paar Tage Ihr Vater sain, denn ich verschdehe, daß Sie sich an main armes Kerippe kewöhnen müssen.« »Wahr!...« rief sie, indem sie aufstand und Nucingen auf die Knie sprang, wobei sie ihm die Hand um den Hals legte und sich an ihm festhielt. »Wahr,« erwiderte er, indem er seinem Gesicht ein Lächeln abzugewinnen suchte.
    Sie küßte ihn auf die Stirn, sie glaubte an einen unmöglichen Kompromiß: rein bleiben und Lucien sehen ... Sie umschmeichelte den Baron so zärtlich, daß die Torpille wieder herausschaute. Sie umgarnte den Greis, der ihr versprach, vierzig Tage lang Vater zu bleiben. Diese vierzig Tage waren nötig, um das Haus in der Rue

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