Glaube, Liebe, Mafia: Ein Fall für Josif Bondar
Zaziki, Hering in Tomatensoße und Dorschleber hingestellt. Ist das richtig?«
»Goldrichtig.« Josif setzte sich an den Tisch.
»Was ist das denn für ein hellbraunes Zeug? Widerlich. Sieht aus wie aus der Windel …«
»Selbst gemachter Tofu-Bohnen-Aufstrich mit Nelken. 100 Prozent vegan. Möchtest du probieren?«
»Nein danke, Silvia. Ich glaube nicht, dass ich das morgens schon vertrage. Gib mir doch mal bitte die Dorschleber. Möchtest du auch was davon?«
»Nein, Josif, du weißt doch, ich esse nichts, was Augen hat.«
»Das ist Leber, die hat keine Augen. Hast du Lust, mir einen Espresso zu machen?«
Sich mit Josif über alternative Ernährungsmethoden auseinanderzusetzen, hielt Silvia erfahrungsgemäß für nicht sehr erfolgversprechend.
»Kann ich machen.«
Seit drei Jahren arbeitete sie nun schon für Bondar. Auch wenn er sie nur für 16 Stunden die Woche bezahlen konnte, war Silvia fast jeden Tag von morgens bis abends da. Josif schätzte ihre Zuverlässigkeit, Verschwiegenheit und Loyalität. Silvia hatte nur wenige Freunde, keinen Kontakt zu ihren Eltern und fühlte sich bei Josif besser als bei sich zu Hause im Studentenwohnheim. Im eigenen Zimmer ungesehen nackt herumzulaufen war langweilig. Und im Flur des Studentenwohnheims ging es auch nicht mehr. Sie war schon mehrmals verwarnt worden und würde beim nächsten Mal rausfliegen.
Silvia kümmerte sich um seine Buchhaltung, kaufte für Josif ein, räumte auf, holte Kohle aus dem Keller und zündete den Ofen an. Wenn es im Büro nichts mehr zu tun gab, arbeitete sie weiter an ihrer Doktorarbeit oder war politisch tätig. Sie war ein aktives Mitglied im Veganerbund, im Urwaldschutzverein und ein militanter Anhänger der Anti-Pelz-Bewegung. Außerdem trainierte sie seit acht Jahren Natur-Capoeira und war inzwischen richtig gut darin.
»Silvia, warum ist die Miete nicht überwiesen worden?«
Josif trug einen handbestickten japanischen Seidenkimono, das Geschenk eines russischen Oligarchen. Es war neben der Espressomaschine der einzige Luxusartikel, den er besaß. Die La Cimbali war sein Lohn gewesen, nachdem er bei der Schließung eines belgischen Sternerestaurants zwischen dem insolventen Besitzer und einem ukrainischen Inkassounternehmen einen für beide Seiten annehmbaren Kompromiss ausgehandelt hatte.
Silvia, immer noch nackt, bereitete gerade einen Espresso für Josif und einen Cappuccino mit Sojamilch für sich zu. Josif beobachtete sie dabei: ein zierlicher wohlgeformter Rücken, langer Hals, kleiner mädchenhafter Busen. Obwohl sie sich nie mit Seife wusch und auch kein Deo oder gar Parfüm benutzte, roch sie gut, frisch. Nicht anregend, eher wie ein Kind. Aus unerklärlichen Gründen empfand Josif Silvia nicht als Frau, sondern eher als geschlechtsloses Wesen. Mit ihr Sex zu haben, wäre für ihn undenkbar. Hatte sie überhaupt einen Freund? Oder eine Freundin? Was für Wünsche, was für Fantasien hatte sie?
»Die Bank hat die Miete nicht überwiesen, Josif, weil dein Dispokredit überzogen ist.«
»Silvia, hattest du schon mal einen Freund?«
Sie schäumte gerade die Sojamilch auf.
»Ja, mit 16, einen aus der Oberstufe.«
»Habt ihr … was miteinander gehabt?«
»Meinst du Sex?«
Josif nickte.
»Nein. Er hat es versucht. Es war widerlich. Er hatte vorher Bockwurst gegessen. Dieser Tote-Sau-Gestank aus dem Mund und sein nasser Lappen in meinem Rachen, ich habe fast gekotzt. Wusstest du, dass sich in der Mundflora mehr Bakterien ansiedeln als im Darm?«
»Nein, ich war schlecht in Bio.«
Im Büro klingelte das Telefon.
»Das wird wohl Çoban sein.« Silvia ging ins Büro und nahm ab. »Detektei Bondar, Silvia Kischke am Apparat … Moment mal.«
Silvia kehrte in die Küche zurück und übergab Bondar wortlos das Telefon. Josif meldete sich mit dem leicht gereizten Unterton eines sehr beschäftigten und bei der Erledigung wichtiger Aufgaben gestörten Geschäftsmanns.
»Josif Bondar am Apparat. Was gibt es?«
Am anderen Ende der Leitung war Judith.
»Judith Wendel hier. Störe ich gerade?«, fragte sie spitz.
»Nein, Judith, du störst mich nie. Ich dachte, der Vermieter wäre dran.«
»Am Ostersonntag in der Früh ist also deine Sekretärin bei dir, vermutlich nackt, und du gehst nicht an dein Handy. Arbeitest du vielleicht gerade an einem außergewöhnlich wichtigen Fall?«
»Es ist alles in Ordnung. Mein Handy ist noch auf lautlos gestellt, nachdem es gestern im Theater geklingelt hat. Wie geht es dir?«
»Jesus
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