Glencoe - Historischer Roman
Argyll aber wünschen etwas, das unsere Fassung übersteigt, und um das zu erreichen, benutzen sie Euch nicht weniger als meinen Freund MacIain.« Er gab Rob die Flasche zurück. »Ihr seid kaum jünger als ich, Ihr gehört an Euren Ofen, nicht in einen Kampf, den man keinen von uns gewinnen lassen wird.«
»Ja, glaubt Ihr denn, ich habe eine Wahl?«, schrie Rob und drückte sich die Flasche an die Brust.
»Hat man nicht immer eine?«
»Ihr vielleicht. Mir hat man keine gelassen.«
»Wenn ich Euch je behilflich sein kann …«, setzte Lochiel an, aber Rob unterbrach ihn: »Das hättet Ihr Euch früher überlegen müssen. Meine Leute haben den Winter nur überlebt, weil ich mich in dieses Loch verkauft habe. Für alles andere ist es zu spät.«
Lochiel überlegte, dann nickte er und zog sich das Plaid über dem Rock zurecht. Rob schmerzte der Kopf. Es wird schon nicht so schlimm sein, wie er orakelt, beschwor er sich. Lochaber-Männer orakeln ja immer und sehen Kerle übers Moor laufen, aber mir ist genug Schlimmes geschehen, was sollte mich noch schrecken?
Lochiel stand schon bei der Tür. Immer stand jemand schon bei der Tür, um einem Ziel entgegenzueilen, während Rob zurückblieb und kein Ziel mehr hatte. »Ihr habt Verwandte drüben«, murmelte sein scheidender Gast.
»Wo, drüben?«
»In Glencoe. Eure Nichte Sarah und ihre Familie. Eine feine Frau. Ich glaube, sie wird, wenn sie Erfahrung gewinnt, Eurer Mutter ähnlich.«
»Ich will davon nichts hören.« Rob presste die Flasche an sich. Er wünschte sich einen zum Auspeitschen, einen fleischigen Kerl mit starken Rückenmuskeln, den er lange schlagen musste, ehe er schrie.
Was Lochiel noch sagte, bevor er ging, hörte Rob trotzdem. »Das habe ich befürchtet.«
Musik erfüllte die Ebene von Carnoch. Noch glichen die Wiesen Sümpfen und in den Hütten stank es nach Moder, die Knospen des Ginsters aber waren zum Platzen prall, und ins Spiel der Fiedeln und Pfeifen mischten sich Liebesschreie heimgekehrter Vögel. Ich will nicht, dass ein Ort auf der Welt Cromdaleheißt. Ich will nicht, dass auf dem Grabkreuz eines Mannes stehen kann: »Geboren in Glencoe, gestorben in Cromdale, als das Jahr noch jung war.«
Auf einem Handkarren hatte Sandy Ogs Vater eines der Weinfässer vor sein Haus rollen lassen, es angestochen und den Pfropfen in den Fluss geworfen, sodass nun unablässig jemand Krug oder Schlund unter den Hahn halten musste, damit kein Tropfen verloren ging.
Jetzt trat Sandy Og mit der Mutter und Ceana aus dem Haus. Ceana war nach dem Unfall in den Bergen krank gewesen, sie trug den gebrochenen Arm in der Schlinge, war bleich und konnte nicht tanzen. Drei Schritte neben ihr, im Schatten, wartete Calum, der ihr seither nicht mehr von der Seite wich.
Ich muss einen Mann für sie finden, schoss es Sandy Og durch den Kopf. Ceana war nicht die Erste, die in Zeiten des Krieges unvermählt blieb, aber er spürte, dass es ihr nicht guttat, dass das Alleinsein mit den Alten an ihr zehrte. Sie war doch ein hübsches Mädchen. Vielleicht war er zu sehr ihr Milchbruder, um das zu beurteilen, doch es gab Männer genug, die ihr nachblickten. Er war ihr etwas schuldig, denn sie hatte ihn vor dem Coire Gabhail aus der Hölle gefischt, er aber würde nach Cromdale gehen und ihr den Liebesdienst schuldig bleiben.
Um das Weinfass, die Tische mit Speisen und den Tanzplatz strömten die Leute von Glencoe zusammen. Eiblin schwatzte auf John ein, Gormal schleppte mit Bens Hilfe Schüsseln herbei und hielt sich tapfer. Sandy Og war auch ihr etwas schuldig, aber er war eben Sandy Og, der alles schuldig blieb, der sich nach Cromdale schicken ließ und gar nichts tat.
Er war auch Sarah alles schuldig geblieben, und seit der Nacht am Black Mount hatte sie kein Wort mit ihm gesprochen. Fraglos hatte er Strafe verdient, ein Wüstling, der in Raserei ihr Tal zerschlagen hatte, ein Feigling, der lieber tötete, als zu sterben, ein Keiler, der über seine Frau herfiel wie über eine Sau. Er nahm ein Stück Brot von einem Tisch und zerquetschtees in beiden Händen. Also gut, er hatte Sarahs Schweigen verdient, aber gab es nicht sachtere Arten, seinen Mann zu strafen, solche, die von ihm etwas übrig ließen? Ich gehe nach Cromdale und hole mir den Tod, macht dir das gar nichts aus? Dass er sich selbst so leidtat, widerte ihn an, er musste lachen und wünschte sich zugleich einen Kerl wie Lochiel, der ihm gewaltig in den Hintern trat.
Und dann sah er die Kinder. Von der
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