Glencoe - Historischer Roman
dich gemacht, um dich zu hüten.
Einen Augenblick lang war alles gut, wie es war. Als das Kind begann, in seinen Armen zu zappeln, lockerte Sandy Og den Griff und sah in das kleine Gesicht, das sich von seiner Brust hob. Es war knochig wie Sarahs Gesicht. »Hast du gegessen, Duncan?«
»Du redest wie die Mutter!«, empörte sich der Junge.
Sandy Og lachte. »Mütter sind ja auch klüger als Väter. Besser, man hört auf sie und geht zum Vater, wenn man dummes Zeug treiben will.«
Duncans Augen wurden weit. »Kann ich morgen mit dir kommen, wenn ihr das feurige Kreuz herumreicht?«
Sandy Og wollte schlucken, bekam aber keinen Tropfen hinunter. Ich wollte dir beibringen, wie man Fische fängt und wie man seinem Haus ein Dach baut. Nicht wie man sich selbst bejubelt, ehe man tötet oder stirbt. War es nicht Irrsinn, dass ein Vater seinen Sohn in den Tod schickte, irgendeinen Sohn, selbst einen zweitgeborenen Taugenichts? War es nicht Irrsinn, dass sein Vater ihn in den Tod schickte, weil er keinen Sohn zeugte, wo erhier mit seinem vor Leben zappelnden Sohn in den Armen saß? Er beherrschte sich, zwang sich zu nicken. »Ja.«
»Und kann Angus auch mitkommen? Weil doch sein Vater …«
Im Aufblicken sah Sandy Og, dass der Junge hinter ihnen stand und wartete. Er nickte wieder. »Es ist gut von Angus, dass er auf dich achtet. Ich hatte einen Bruder, du hast einen Vetter, das ist beinahe gleich.«
Das Lächeln des Kindes war verblüffend wie die Wintersonne.
»Willst du jetzt gehen und die Mutter holen?«
»Aber die Mutter ist doch da!« Duncan drehte sich in Sandy Ogs Arm um und wies auf den Tanzplatz, wo junge Männer mit Dirks einen Sprungtanz vorführten. Ein Stück von dem Ring entfernt, den die klatschenden Frauen bildeten, stand Sarah. Sie ist die Schönste, dachte Sandy Og und drückte sein Kind noch einmal an sich. Gerade, blond und trotzig. Nicht zu haben.
Duncan machte Angus Zeichen, und Sandy Og ließ ihn los.
»Du weckst mich doch morgen? Du gehst nicht in den Krieg, ohne mich zu wecken?«
»Ich verspreche es«, sagte Sandy Og.
»Schwör einen Eid.«
»Auch den.«
Es waren nicht mehr als dreißig Männer für den Marsch auf Cromdale bestimmt, bevorzugt nachgeborene Söhne und solche, die dem Clan keine Kinder schenkten. Der MacIain gab ihnen ein Fest und nahm ihr Beltane vorweg. Sarah kam es vor wie auf den Heidenfesten, von denen die Großmutter erzählt hatte – Feste, auf denen verbotenen Götzen ein Bulle geopfert wurde. Bei ihnen aber dienten statt des Bullen die Männer, die soffen und sich abküssen ließen, als Opfer.
Sie sah ihrem Mann zu, der sich wie ein Idiot benahm, mit Brot spielte, ohne es zu essen, nach hierhin und dorthin tappte, ohne zu tanzen, und hilflos lächelte, wenn einer ihn ansprach, als sei er der Sprache nicht mächtig. Sandy Og hatte wie eh und je den Kopf in den Wolken, doch heute war Sarah wütend auf ihn.
Der MacIain kam wie üblich mit Wein, um sich um sie zu kümmern, diesmal aber wies sie ihn ab. »Ihr seid der Beste, Vater MacIain. Aber ich glaube, ich verpasse lieber Sandy Og ein paar Takte Saures.«
Der Alte, der grau im Gesicht war und zu hastig trank, brach in sein röhrendes Gelächter aus. »Das tu, a graidh , meinen Segen hast du. Aber gib’s ihm tüchtig, und verlier nicht die Geduld – der arme Bursche ist ja stocktaub, weißt du?«
Und weshalb gibst du dann nicht acht auf ihn, weshalb bewahrst du ihn nicht? , hätte Sarah ihn anbrüllen können. Aber sie tat es nicht, weil sie wusste, dass das allein in Sandy Ogs Macht lag und dass sie dem Alten nicht aufbürden durfte, wozu Sandy Og Manns genug sein musste. Ihre Hände schoben sich auf ihren Leib, nur flüchtig, damit niemand darauf achtete. Sie hätte sich nicht vorsehen müssen, denn es achtete ohnehin kein Mensch auf sie. Zudem war es ihr den Winter über elend ergangen, sie hatte kaum essen können und wirkte daher in Kleidern nicht runder als zuvor. Allein sie vermochte zu spüren, wie empört sich das Leben unter ihren Händen wölbte, wie es ihr Kraft und noch mehr Wut verlieh.
Ceana trat zu ihrem Mann, sie war verhärmt und bleich noch unwiderstehlicher als früher. Das Leuchten, das auf Sandy Ogs Gesicht trat, entging Sarah ebenso wenig wie der zärtliche Klaps, mit dem Ceana seine Schulter bedachte.
Bei ihr bist du der Held, der du so gerne wärst, nicht wahr? Der Retter vor dem Lawinentod, der Tröster, der täglich nach Carnoch trottet, um am Krankenlager der Liebsten zu
Weitere Kostenlose Bücher