Glencoe - Historischer Roman
glaubst doch wohl nicht, dass ich dich gehen lasse.«
»Du wirst es müssen. Ich schließe mich Robert Stewart von Appin und seinen Schützen am Loch Linnhe an.« Er zuckte mit den Schultern. »Wenn ich nicht sterbe, komme ich wieder. Bis dahin dürft ihr für das, was ich getan habe, nicht Ceana strafen.«
Er ging an Eiblin vorbei, duckte sich unter dem Türstock und verschwand, ohne sich nach Ceana umzudrehen. Die war wie erstarrt, hatte nicht einmal die Kraft, ihn zurückzurufen.
Eiblin fasste sich eher. »Du musst das mit dir selbst ausmachen«, presste sie heraus. »Ich sag’s nicht weiter, wo er ja weggeht und für den Clan stirbt, auch wenn’s schweinisch ist, was er tut. Nur seiner Frau muss ich’s sagen. Soll die entscheiden, was mit euch geschieht.«
Eiblin zog sich das Tuch zurecht und ging. Ceana hätte sich gern gesetzt oder wäre selbst fortgelaufen, doch ihre Beine waren wie aus Glas. Erst jetzt bemerkte sie die Klammer um ihre Fessel. Als sie hinuntersah, erschrak sie ein weiteres Mal: Die Klaue des Uralten hielt ihr Gelenk umfangen. Wie lange war er schon wach? Was hatte er mit angehört?
Mit der freien Hand bot er ihr zitternd den Becher an, in denSandy Og Wasser geschöpft hatte. Ihr Gaumen war so trocken, dass die Zunge an ihm klebte, so bückte sie sich zögernd, nahm das Gefäß und trank.
Am frühen Abend begann es zu regnen, und Jean konnte nicht mehr hinaus. Verzweifelt zu sein, innerlich zu sterben war unmöglich, während ein Kind durch den Raum tollte, in die Mehlkiste langte, den Ölkrug umstieß und dabei jauchzte, als sei das Leben ein Fest. Es war eines, dachte Sarah , unser süßes, klammheimliches Fest, das nur uns gehörte, und jetzt hast du mich ausgeladen. Ich hocke wieder im Baum und bin allein. Damals hast du den Kopf nach mir gehoben. Wie kannst denn du mich verraten, von allen Menschen du? Du hast doch gelobt, dass ich dir fehle, wenn nachts der Tod kommt und mich holt.
Sarah hasste sich. Sie war machtlos dagegen, dass ihr die Tränen liefen, und machtlos dagegen, dass ihr Leben zerbrach. Ihr Kind fiel auf den Hintern, hörte zu jauchzen auf und sah sie aufmerksam an. Rasch wischte Sarah sich das Gesicht trocken, wischte weiter, während neue Tränen quollen, bis die Wangen ihr brannten. »Alles ist gut«, beruhigte sie Jean mit hochgeschraubter Stimme. Ihre Tochter hatte die blauschwarzen Augen ihres Vaters und sah aus, als wisse sie, dass Sarah log.
Sie wollte aus dem Haus in den Regen rennen und vom Hang hinunter ins Tal schreien: Mein Mann Sandy Og, der für mich dem Tod die Zähne einschlagen wollte, der für mich in einer Fensterluke stecken blieb, hat mich verraten! Aber verzweifelt zu sein, sich wie ein Wurm zu krümmen ist unmöglich, wenn zwei halbwüchsige Burschen, einer von neun und einer von dreizehn Jahren, zur Tür hereinstürzen, wie Sturzbäche schwatzen und nach Fleisch und Milch und Brot verlangen.
Duncan platzte vor Stolz, weil sein Vater, der Haudegen, es am Berg nicht länger ausgehalten hatte, sondern schon heutelosgezogen war, um für den König, für Glencoe, für die ganze Welt zu kämpfen. »Wenn er wiederkommt«, erklärte er kauend, »sag ich ihm, dass ich meine Meinung geändert habe. König Jamie braucht ja jetzt Schützen, und mein Vater ist einer der besten. Er soll mich an der Pistole unterweisen.«
Aufschneider, dachte Sarah. Sie wollte hinlaufen und ihn für den Irrsinn ohrfeigen, den er von sich gab, dann aber drängte es sie danach, sein Gesicht an ihren Leib zu drücken, wie sie es manchmal getan hatte, als er ein Wickelkind und sie mit ihm allein gewesen war.
Angus wurde bleich vor Sehnsucht. »Meinst du«, begann er und sah Duncan von der Seite an, »meinst du, er könnte auch mich unterweisen? Nur ein wenig, wenn du gerade nicht magst?«
Duncan betrachtete seinen Vetter, als schätze er dessen Eignung als Pistolenschütze ab. Wenn du deinen Freund verrätst, wie dein Vater mich verraten hat, dann bekommst du es gewaltig von mir, auch wenn es gar nichts nützt , beschloss Sarah, Duncan aber sagte ohne Aufhebens: »Er unterweist uns zusammen. Er weiß ja, dass ich nichts ohne dich tue.«
Sarah musste sich wegdrehen, weil ihr die Tränen kamen.
Es dauerte eine unerträgliche Ewigkeit, bis Jean schlief, Angus ging, Duncan sich schlafen legte und die Hütte wieder aufgeräumt war. Es war albern, noch zu fegen und aufzuwischen, aber Sarah tat es trotzdem, wie sie es jeden Abend getan hatte. Als sie den Besen
Weitere Kostenlose Bücher