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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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Tropfen, die seinen Hals hinabperlten. Als er den Kopf vorsichtig aus dem Gestrüpp streckte, sah er das Schwarz des Sees, das sich aus den Grauschattierungen von Wald und Ufer schälte. Nahezu im selben Moment sah er das Schiff.
    Es war klein, kaum größer als die zwei Flusskähne, die Robert Stewarts Männer hergebracht hatten. Es lag sichtlich vor Anker, denn soeben wurden die Segel eingeholt und schwacher Feuerschein gab preis, dass eine Mahlzeit zubereitet wurde. Vermutlich hatte es nicht rechtzeitig ablegen können, war von der Dämmerung überrascht worden und nun gezwungen, über Nacht zu ankern. Wer diese Gewässer nicht kannte, segelte nicht durchs Dunkel, wenn er nicht unbedingt musste. Die Besatzung des Proviantschiffes wiegte sich augenscheinlich in Sicherheit.
    Sandy Og verharrte im Schutz eines Ginsterstrauchs und sah einen Bewaffneten mit rotem Rock ans Ufer waten. Nur eineinziger Wachposten. Leichte Beute. Flüchtig schoss ihm durch den Kopf, wie viel härter es für eine Frau sein musste, mit einem schlimmen Schmerz umzugehen, weil ein Mann beim Kämpfen und Töten nur selten Zeit hatte, an Schmerz zu denken, eine Frau beim Wurstkochen hingegen unentwegt. Dann drehte er sich so leise, wie es eben ging, zwischen den Ginsterzweigen um und kroch den nebligen Weg zurück, um dem jungen Robert Bericht zu erstatten. Der hatte auf solche Gelegenheit sehnlichst gewartet.
    Im Handumdrehen waren die Männer bereit. Um das klägliche Schiff zu überrennen, hätten sie nicht alle mitnehmen müssen, aber sie waren so wild darauf, endlich zu kämpfen wie Pferde, denen man im Winter zu wenig Bewegung verschafft hatte. Sie waren zehn Männer mit Dirks und Schwertern und vier mit Pistolen, und nur einer blieb auf Robert Stewarts Anweisung hin zur Bewachung bei Pferden und Lager. Der Aufbruch sollte lautlos erfolgen. Wie sich das mit einem Trupp gierender Hochlandkämpfer bewerkstelligen ließ, stand auf einem anderen Blatt.
    Sie schlugen nicht den unwegsamen Durchgang ein, den Sandy Og gewählt hatte, sondern verteilten sich auf Robert Stewarts Boote, die am seichten Ufer des Flussarms warteten. Die Strömung half ihnen, sodass sie kaum zu rudern brauchten. Wie vom Nachtwind geschoben schnitt erst das eine, dann das andere Boot durch das Wasser auf den Loch zu, in dem das Proviantschiff lag. Stewart hielt die Männer an, sich zu ducken, sobald sie in Mündungsnähe kamen, was jedoch überflüssig war, da er und seine Leute viel zu laut waren. Der Wachmann mit der Fackel hätte sie hören müssen, lange bevor er sie im Nebel sah, glaubte sich aber wohl so fern jeder Gefahr, dass er sich vom Plätschern kleiner Wellen einlullen ließ und im Stehen schlief. Bedeutete das, dass man auf der Schwarzen Garnison annahm, der Waffenstillstand werde eingehalten, auch wenn etliche ihn nicht unterzeichnet hatten?
    Stewart hatte es Sandy Og übertragen, den Befehl zum Feuern zu erteilen. Er gab ihn, sobald beide Boote im Uferschlamm des Lochs aufgelandet waren und die Männer von Bord sprangen, von einer Böschung gedeckt und vom Ziel noch weit entfernt. Zu früh, hätte sein Vater, hätte jeder Schütze von Verstand gewettert, kennst du die Reichweite deiner Waffe nicht? Wenn die Besatzung weniger schlecht gerüstet war, als Sandy Og annahm, hätte sie Zeit genug für einen Gegenangriff. Behielt er aber recht, ging dieses Manöver vonstatten, ohne dass sie jemanden töten mussten. Kein Verräterkopf für dich, Sarah. Lieber schickte ich dir meinen eigenen. Nähmst du ihn gnädig auf? Wäre dem Kopf vergeben, ich glaube, ich schnitte ihn mir ab.
    Kleine Salven blitzten auf, und Schüsse gellten über das sich kräuselnde Wasser. Es folgten das Kampfgebrüll der Schwertkämpfer, das Getrappel vieler Sohlen, das Geklirr von Klingen, die im Dunkel glänzten. Sandy Og gefiel, was er zu tun hatte: nachladen, den Geruch von Zündkraut in der Nase behalten, ins Unerreichbare zielen, schießen, wieder nachladen, sich um nichts sorgen als um den kleinen Mechanismus. Als der erste Angstschrei ertönte, wusste er, dass seine Rechnung aufgegangen war. Die Besatzung des Proviantschiffs war in der Tat völlig unvorbereitet und nicht in der Lage, nennenswerte Gegenwehr zu leisten. Als Sandy Og eintraf, hatten einige sogar bereits die Flucht ergriffen, während andere versuchten, sich der Schwerthiebe mithilfe von Stöcken und Stangen zu erwehren, ihre Haut zu retten. Der Wachmann hatte die Fackel fallen lassen; schon kroch die Flamme als

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