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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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feurige Schlange den Boden entlang.
    »Bist du des Teufels?« Sandy Og packte Stewart, der außer sich vor Begeisterung sein Schwert schwang, am Kragen und riss ihn hintüber. »Pfeif deine Leute zurück, und zwar schnell.«
    »Aber …«
    »Pfeif deine Leute zurück!«, brüllte Sandy Og und glaubte jäh, statt sich selbst den MacIain zu hören. Er ließ den jungenMann los. »Wir haben den Auftrag, Vorräte an uns zu nehmen und Schiffe zu verbrennen. Nicht ein Gemetzel anzurichten.«
    Gerade laut genug rief Stewart seinen Männern den Befehl zum Rückzug zu. Das Häuflein der Seeleute und der einzelne Rotrock verschwanden unterdessen mit wehenden Kleidern in der Nacht. »Ist es klug, sie einfach laufen zu lassen?« Der junge Clanchief sah nicht Sandy Og an, sondern den Fliehenden nach. »Sie könnten sich zur Garnison durchschlagen und unseren Standort verraten.«
    »Beim Himmel! Robert, du kannst doch nicht wollen, dass deine Männer unbewaffnete Seeleute abschlachten. Was für einen Krieg willst du führen? Was für Vergeltungsakte an deinem Tal nimmst du in Kauf?«
    »Glaubst du etwa, die würden uns verschonen?«
    »Wir können nicht anfangen, etwas zu tun, weil möglich ist, dass der Gegner es täte«, verwies ihn Sandy Og. »Wem dienen wir? Dem Gegner oder uns selbst?« Er widerte sich an. Er hätte Stewart auf der Stelle sagen wollen, was er war und was er getan hatte, statt daherzuschwatzen wie ein kreuzbraver Mann. »Wir brechen gleich auf«, sagte er stattdessen. »Schlagen uns für ein paar Tage in die Heide hinter dem Loch Awe. Dort warten wir ab, bis die Lage sich beruhigt.«
    Stewart schien eher eingeschüchtert als überzeugt, erteilte aber die geforderten Befehle. Ein sofortiger Aufbruch war dennoch unmöglich, weil die Männer darauf bestanden, die Fässer mit Trockenfleisch, Gerste und Whisky, die Sandy Og zusammen mit dem Boot verbrennen wollte, von Bord zu rollen und mitzuschleppen.
    »Das kannst du den Männern nicht auch noch nehmen«, sagte Stewart, und Sandy Og nahm es ihnen nicht. Er war leer und müde und sah sich außerstande, mehr zu tun.
    So graute der Morgen, ehe alles geteilt und verstaut war, das geplünderte Schiff in Flammen aufging und sie sich auf den Weg machen konnten.
    Sie kamen langsam voran. Der Tag war trübe und warm, die Luft schweißtreibend. Den Männern fehlte Schlaf; zudem mussten sie Haken schlagen, um ihre Spur notdürftig zu verwischen und ungedeckte Ebenen zu meiden. Als kurz nach Mittag der ferne Donner von Trommeln ankündigte, dass sie verloren hatten, erschrak Sandy Og nicht. Er war nicht einmal überrascht. Das ist es also, dachte er, und so kommt es jetzt , und wunderte sich nur, dass er so wenig dachte.
    Die Männer ließen die Pferde laufen, warfen alles Gepäck ab und schwärmten aus, rannten in die freie Heide, die sich vor ihnen erstreckte, und warfen sich zu Boden, wo auch immer das Kraut hoch genug spross.
    Sandy Og hörte, wie die Rotröcke mit genagelten Sohlen ins Feld stürmten, hörte die Schreie der Entdeckten und vereinzelt eine Klinge, die gegen eine andere klirrte. An seinem Leib spürte er Erde, die hier staubig und trocken war, und roch das würzige, frisch erblühte Kraut. Dass ich mich so dumm angestellt habe, ändert nichts daran, dass ich das Leben mochte , entdeckte er erstaunt. Dann schwoll das Getrampel an und vervielfältigte sich. Als Nächstes erhielt er einen Hieb auf den Rücken, der ihm den Atem nahm. Metall. Ein Musketenlauf.
    Rings um ihn, über ihm drängten sich Gesichter. »Umdrehen.« Eine Stiefelspitze trat ihn, sodass er von selbst zur Seite rollte.

Hampton Court, August 1691
    William war wieder einmal in Flandern. Die Angelegenheiten des Insellandes, das Mary in die Ehe eingebracht hatte, schienen ihn immer weniger zu berühren. Hatten sie nicht auch ihren Vater kaum gekümmert und vor ihm den Onkel, weshalb nun alles im Argen lag? Im Teichgarten von Hampton Court beispielsweise, das als ländliche Residenz ohne Zweifel vonnöten war, stand ein bald zweihundert Jahre altes Banketthaus. Hatten Marys Vater und ihr Onkel sich solcher Verwahrlosung nicht geschämt?
    Mary hätte gern das Leben geführt, zu dem sie erzogen worden war, hätte gern getan, was man sie gelehrt hatte und mit dem Bauch, nicht mit dem Kopf ihre Pflicht getan. Da dieser Segen ihr jedoch versagt blieb, lud sie sich notgedrungen die Last auf, die für schmale Weiberschultern viel zu schwer war.
    Auf eigene Faust ordnete sie die Abreise ihres

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