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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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entzifferte sie mühsam, »der ich durch König William und Königin Mary beauftragt bin, mit den genannten Hochländern zu verhandeln, dass die nämlichen Offiziere und Chiefs sich durch ihre Unterschrift verpflichtet haben, vor dem ersten Oktober keine Feindseligkeiten oder Zerstörungen zu begehen.«
    Sie tat sich an einem Atemzug gütlich wie sonst an feinstem Konfekt. Unterzeichnet war das Dokument mit dem schwungvollen Namenszug »Breadalbane, in Achallader« – wo immer sich ein Ort solchen Namens auch befinden mochte.
    Hastig überflog Mary den Rest des Briefs, die knappe Erklärung, die Breadalbane im Namen von König und Königin abgegeben hatte und die den Chiefs Unversehrtheit zusicherte. Soweit Mary es überblicken konnte, war alles, wie es sein sollte. William musste sofort davon erfahren. »Ich habe meinen Stab zu unterrichten«, beschied sie die Boten und winkte sie unwirsch aus dem Raum. Sie selbst eilte in die Pagenkammer, befahl einem der Jungen, Burnet zu holen und ließ sich dann auf dem Tagesbett nieder, um auf ihren Berater zu warten.
    Als Burnet endlich eintrat, verschwendete sie keine Zeit mit Floskeln. »Ich habe eine Nachricht, die unverzüglich an meinen Gemahl nach Flandern geschickt werden muss«, sagte sie.
    Burnet trat von einem Fuß auf den anderen, was ein unerfreuliches Geräusch verursachte. »Darf ich fragen, ob es sich um die Nachricht des Herrn von Breadalbane handelt?«
    »Was geht das Euch an?« Begriff der Mann nicht, dass es das hilflose Geschöpf, das er beschirmt hatte, nicht mehr gab, dass aus ihr in den Härten des Lebens eine bittere, doch besonnene Königin geworden war?
    »Selbstredend nichts, Hoheit.« Burnet vollführte einen Kratzfuß. »Es sei mir nur gestattet, anzumerken, dass sich in diesem Fall die Entsendung eines Boten erübrigt. Der Graf ist dieser Tage nach Flandern aufgebrochen, um Euren Gemahl selbst zu unterrichten.«

7
    Lied vom Lieben und Sterben
    Black Mount über Glencoe, August 1691
    In der Nacht glaubte der MacIain, ein Geschrei zu hören, auch Getrappel und Geheul wie damals bei den Nachtkerzen. Im Halbschlaf bemerkte er, dass es dämmerte und Morag schon aufgestanden war, und kam zu dem Schluss, der kranke Mann müsse gestorben sein. Gott hab ihn selig, dachte er, er hat länger als irgendein anderer gelitten. Damit drehte er sich auf die Seite und versuchte, noch ein wenig zu schlafen, aber es gelang ihm nicht. Seine Gedanken eilten ihm voraus in den Tag. Er würde ihn auf der Eilean Munde bestatten lassen, wie es sich gehörte, und er würde eine aus dem Weibsvolk bitten, das Lied für ihn zu singen. Den MacIain schauderte, weil er zu hören meinte, wie der Verstorbene es sang.
    Wen konnte er um den Gefallen bitten? Die, die ihm als Erste einfiel, verwarf er gleich wieder, und Morag würde es nur ungern tun, sie hatte all das satt. Früher, als ihn mitunter noch der Drang übermannt hatte, mit ihr darüber zu reden, hatte sie gesagt, es sei genug, er solle an seine Kinder denken und schweigen. Der MacIain schwang seufzend die Beine vom Bett, versuchte, die Steifheit seiner Hüften nicht zu beachten, und lächelte. Wenn er seine Gefährtin darum bäte, würde sie es für ihn tun, und das Totenlied, das sie dem Verhassten sang, wäre zugleich ein Liebeslied für ihren Mann.
    Das Wasser, das er sich ins Gesicht spritzte, war über Nacht eisig geworden und verriet, dass das Ende des Sommers nah war. Er kleidete sich an, beileibe nicht mehr so flink wie vor Jahren, und trat ins Freie – gerade noch rechtzeitig, um zuzusehen,wie die Nebel von den Gipfeln wichen. Heute jedoch war ihm kein ruhiger Augenblick vergönnt, denn der Schrei, den er im Halbschlaf vernommen hatte, ertönte noch einmal scharf und taghell. Eine Kinderstimme.
    »Großvater MacIain!« Sein Enkel, der Krüppel, der offenbar hinter dem Haus nach ihm gesucht hatte, humpelte mit heftigen Schwüngen der Krücke auf ihn zu. Sein Gesicht war nass und gerötet. »Großvater MacIain. Die Mutter ist fort.« Keuchend blieb der Junge vor ihm stehen.
    »Na, na, Duncan. Komm zu dir.« Der MacIain griff ihm unter den Arm, um ihn zu stützen.
    »Sie ist wirklich fort!«
    Inzwischen ließ sich nicht länger leugnen, dass Duncan geweint hatte, zumal seine Augen sich neuerlich mit Tränen füllten. Unbehaglich sah der MacIain sich nach einer Frau um, die sich auf weinende Kinder verstand. Im Grunde war ein Bub in Duncans Alter ja kein Kind mehr, aber wenn sie weinten, waren sie alle noch

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