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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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jetzt, da er die Hände senkte, sah er, dass er mit letzter Kraft etwas verteidigt hatte, das er nicht mehr besaß. Einen Haufen Scherben. Er stand auf.
    Helens geschlossenes Auge begann zuzuschwellen. Sie richtete sich ebenfalls auf, stützte sich mit einer Hand an die Wand. »Da ist noch etwas, das ich dir sagen will. Schon seit Tagen, als du in Inverlochy warst.«
    »Was?« Gab es noch etwas, das zählte?
    »Meggernie«, sagte Helen.
    Meggernie.
    »Es waren Leute aus Edinburgh hier, um es in Augenschein zu nehmen. Der neue König plant, eine Reihe von Garnisonen zu errichten, und Argyll hat ihm Meggernie empfohlen.«
    Meggernie. Sein filigraner Traum, das zarte Mädchen, das er in Gespinste aus Seide gehüllt hatte, in den Händen grober Soldaten! Sein Hort von Schönheit ein Bollwerk des Gemeinen! »Das gestatte ich nicht. Nicht Meggernie!« Jede Vase, jeder Leuchter darin war sein Freund.
    »Ich glaube kaum, dass man dich fragen wird. Ist dir entfallen, dass dir Meggernie nicht mehr gehört?«
    »Aber Meggernie eignet sich dafür doch nicht!«, fuhr er auf und flehte nunmehr wie ein Bettler. »Es ist als Wohnsitz geschaffen, es ist nicht ausreichend befestigt, und zudem …« Er brach ab. Ließ die rudernden Fäuste sinken.
    Helen nahm einen Zipfel ihres verschossenen Arisaids und wischte sich Blut von Nase und Lippe. »Das erklärst du besser nicht mir, sondern Argyll, der ein Wort darin zu sagen hat.« Sie hob den Korb auf und hielt ihm den Käse hin. »Hier, tu dich gütlich, Rob. Du hast es morgen weit. Ich trage das Übrige in die Küche und hoffe, dass es sich zu einem Mahl für sechs Mäuler strecken lässt.«
    Am folgenden Morgen sattelte Rob die Mähre, die ihm geblieben war, und ritt nach Inverlochy, wo er Argyll schon bei der Abreise antraf. Zu einem Preis von acht Shilling pro Tag, einem Batzen Geld für einen Bettler, schloss er sich dessen Regiment im Dienste König Williams an.

    War jene Sturmnacht am Black Mount die schönste Nacht ihres Lebens gewesen? War es das, was die Alten den Jungen nicht erzählten, weil es dafür keine Worte gab? Es gibt dafür keine Worte, aber ich habe trotzdem welche, stellte Sarah fest: Gewollt werden. Wollen. Haben dürfen, was ich will.
    Ihre Worte waren ihre Perlenkette, mit der sie Perle um Perle die Erinnerung an jene Nacht beschwor. Sandy Og in die Ohren beißen, um zu schmecken: Das ist mein Mann, und er lebt. Sandy Ogs Hintern kneten und beim Gedanken an Eiblin lachen müssen. Als sie an Gormal denken musste, liebte sie Sandy Og noch rasender, schlang die Beine um ihn, trat, schlug, stieß, klammerte, krallte, biss, packte, zerrte, raufte, krümmte sich, rieb sich, saugte, küsste, ließ sich fallen, blieb liegen, tastete, streichelte, hörte nicht auf. Sandy Og nehmen. Sandy Ogwiederfinden. Bauch und Hüften, die mager und hart geworden sind, Lenden, Schenkel, Geschlecht. Anlieben gegen den Tod. Solange dein Leib und meiner so mit ihrem Leben prahlen, wagt der Tod sich ja nicht ins Zimmer.
    In der Nacht half dieses große, wilde Lieben gegen Angst und Wut und Einsamkeit, gegen Neid und Tod. Am nächsten Morgen aber ging alles weiter wie bisher. Sie musste Duncan wecken, weil er Angus helfen sollte, die Rinder für den Abtrieb zu schmücken, aber Sandy Og war vor ihr aufgestanden und nicht mehr da. Von seinem Körper zeichnete sich eine Kuhle im Heidekraut ab, die nach ihm roch und mit der Kuhle ihres Körpers verschmolz. In den getrockneten Stängeln hingen ein paar Haare, dunkler und röter als ihr Haar und Duncans.
    Als sie das Haus verließ, war sie geschwebt wie sonst Ceana, aber dann hatte sie die Arbeit eingeholt; draußen gab es zu packen, zu bündeln und aufzuladen, sodass der tänzelnde Gang bald zurück zur Erde sackte.
    Aus einer der Hütten brachen Frauen mit Geschrei. Über Nacht war der Ros die Tochter gestorben, das kleine Ding, das eben erst laufen lernte.
    »Am Hunger«, heulte eine ihrer Schwestern. Natürlich war das Unsinn – solange sie Milch und Salzfisch und Hafer hatten, starb in Glencoe kein Kleinkind am Hunger –, aber dennoch setzte in allem Treiben ein Schweigen ein und jeder Blick wandte sich nach Ceana. Dann endlich gebot die Lady Eile, befahl, das Kindlein mit ins Tal zu tragen, um es auf der Eilean Munde zu begraben.
    Sandy Og belud Schubkarren. Wie alle Männer, wenn sie etwas taten, das ihnen kaum etwas abforderte, machte er großes Gewese darum und ließ die Muskeln unterm Hemdstoff spielen. Er ist albern, dachte

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