Glencoe - Historischer Roman
zum Fenster gewandt hatte. »Ich betrage mich, als sei ich gekommen, um Euch auszuhorchen, und ein Körnchen Wahrheit mag daran sein. Allerorten wird gemunkelt, der Willie habe mit Inverlochy etwas vor. Aber wie auch immer, nach Aufbruch sieht es hier nicht aus. Ich nehme also an, dass Ihr Euch mit Eurer Einheit nicht Thomas Livingstone anschließt?«
»Wer ist Thomas Livingstone?« Wie er sie hasste, diese hingeworfenen Namen, wie er Lochiel hasste, der offenbar zum Kreis der Eingeweihten gehörte, obwohl er auf der Seite der Feinde stand.
»Man lässt Euch ziemlich im Dunkeln, oder? Livingstone ist einer der Offiziere, die mit dem Willie herüberkamen. Es heißt, General MacKay habe ihn ins Hochland entsandt, damit er sich mit einem Heer dem unsrigen entgegenstellt. Ich hatte Sorge, ich käme zu spät, um Euch anzutreffen.«
»Nicht alle werden entsandt«, bellte Rob zurück, wenngleicher sich fragte, warum nicht. Was gab es hier zu schützen? Weshalb ließ Argyll ihn in der Ödnis stehen, wenn anderswo jeder Mann gebraucht wurde? Gewiss nicht, um ihn zu schonen – da machte sich Rob nicht länger etwas vor. Der kurze Augenblick, in dem er Argyll für einen Freund gehalten hatte, war rasch verraucht, und er schämte sich für seine Torheit. Argyll gab ihm nichts, wenn er nicht das Doppelte daraus zu gewinnen hoffte, aber was dieses Doppelte war, blieb Rob ein Rätsel. »Warum wolltet Ihr mich überhaupt treffen?«, fragte er. »Ich habe wenig Zeit, und der Zweck Eures Besuchs erschließt sich mir nicht.«
»Ich bin gekommen, um Euch zu fragen, was Ihr hier tut«, erwiderte Lochiel unverblümt.
»Was ich hier tue ? Ja was glaubt Ihr denn? Leberblümchen auf Kränze fädeln oder Rahm von Butter schöpfen?«
Lochiel schüttelte den Kopf. »Ihr führt Krieg, Rob, das entgeht mir nicht. Aber es ist nicht Euer Krieg, und man wird Euch nicht gestatten, ihn zu Eurem zu machen.«
Warum nahm sich ein jeder heraus, mit ihm zu sprechen, als sei er ein Idiot? Rob goss sich noch mehr von dem Whisky ein, der golden war wie die verlorenen Zeiten. »Mein Krieg ist es nicht, sagt Ihr? Und ihn zu meinem zu machen wird mir nicht gestattet? Im Gegenteil, mein Herr: Eure feinen Freunde haben mich gezwungen, ihn zu meinem zu machen, das Verbrecherpack, das Säuglingen die Betten unterm Hintern stiehlt und dessen Beute Ihr vermutlich teilt.«
Noch immer stand Lochiel am Fenster, jetzt aber drehte er sich um und sah mit seinen im Düstern schillernden Augen Rob in die seinen. »Ihr habt nicht unrecht. Ich teile sie, wenn ich auf Carnoch zu Gast bin, und ich nenne den MacIain weiterhin meinen Freund. Das bedeutet jedoch nicht, dass ich Euren Zorn nicht verstehe. Ehrlich gesagt, würde ich selbst gern meinem Freund Alasdair ein Ohr abschneiden und es zum Frühstück vertilgen. Nur spielen sich Clanfehden eben auf solche Weise ab, weshalb ich Euch rate, zu tun, was wir von jeher getanhaben: Geht nach Glencoe, verpasst den Sauhunden Prügel, die sie ihr Lebtag nicht vergessen, und nehmt mit, so viel Ihr schleppen könnt. Aber bringt nicht Kräfte in dieses Spiel, in dem Ihr kein Partner und der MacIain und ich keine Gegner, sondern wir alle nur Spielsteine sind.«
Rob hatte es satt. Beide Seiten gefielen sich offensichtlich darin, in Rätseln zu sprechen – der Fuchs von Breadalbane wie der Wolf von Lochiel. Was machte diese aufgepumpten Säcke besser als ihn? Dass sie mehr Glück gehabt hatten? Dass sie in eigenen Betten schliefen? »Ich habe keine Ahnung, was Ihr mir sagen wollt«, warf er hin. »Ich vermute, das lag in Eurer Absicht. Wenn ich darin aber irre, drückt Euch klarer aus!« Obwohl ihm die Knie zitterten, hielt er sich kerzengerade. Mochten sie alle ihm die Würde absprechen, er war einst Herr von Meggernie gewesen, und das nahm kein Mensch auf der Welt ihm weg.
»Es lag keineswegs in meiner Absicht«, beeilte sich Lochiel zu behaupten. Er nahm Rob die Flasche ab und füllte sich einen Becher. »Jetzt gebt mir auch von dieser Süße. Mir ist die Kehle von zu viel Grübeln ausgedörrt. Ohnehin muss ich wieder auf den Weg. Ich kam nur her, um Euch etwas zu bitten: Um Euret- wie um unsertwillen, lasst Euch nicht zum Werkzeug machen! Eure Mutter war eine herrliche Frau, eine der herrlichsten, die je in hochländischer Heide lag, und ihrer wird mit Achtung gedacht. Ich will ihres Sohnes nicht anders gedenken. Ihr wünscht, Euch an denen aus Glencoe zu rächen, und der Wunsch steht Euch zu. Männer vom Kaliber eines
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