Goethesturm: Hendrik Wilmuts dritter Fall (German Edition)
sie
sich auszudrücken pflegte. Auch wenn Hanna solche Plattitüden nicht leiden
konnte, musste sie Sophie in diesem Fall doch recht geben, sie kannte deren
Exmann. Die Ärzte in der Psychiatrie hatten versucht, Sophie mit Medikamenten
zu stabilisieren, sie war vorübergehend ruhiggestellt. Hanna hatte sie am
Nachmittag besucht, hatte aber kaum mit ihr reden können.
Kurz
vor Mitternacht gaben Hanna und ich auf. Wir schafften es nicht, Bennos
Verhalten irgendetwas Sinnvolles abzugewinnen. Bevor Hanna das
Schlafzimmerlicht löschte, überzeugte sie mich, dass wir eine gewisse taktische
Planung benötigten. Auf diese Weise bekam ich die Aufgabe, mit ein paar Leuten
zu sprechen, um Bennos Beweggründen nachzuspüren. Zum Beispiel mit Hubertus von
Wengler, Bennos Sekretärin oder anderen Arbeitskollegen. Hanna wollte sich
hauptsächlich um Sophie kümmern, ihr beistehen und versuchen herauszubekommen,
ob Benno außer der kurzen Nachricht etwas Wichtiges hinterlassen hatte.
Und
eine interessante Neuigkeit aus dem Krankenhaus wollte Hanna mir schnell noch
mitteilen. Ich lag bereits schläfrig im Bett und mochte eigentlich gar nichts
mehr hören, war jedoch unfähig, meine Frau zu stoppen. Heute sei ein Fall einer
asiatischen Grippe in der Klinik diagnostiziert worden, berichtete sie. Das sei
zunächst nicht ungewöhnlich, doch es handele sich um einen Erreger, Typ
H08-irgendwas, der bisher nirgendwo in Europa aufgetaucht sei. Und die
betroffene Frau sei nicht in Asien und seit zwei Jahren gar nicht aus Weimar
weggewesen. Die Symptome seien eindeutig. Interessanter Fall, meinte Hanna. Ein
weiterer Fall, dachte ich halb im Dämmerschlaf. Ob mich der Name der Patientin
denn nicht interessiere, fragte Hanna aus der Ferne. Ich war nur noch in der
Lage »Hmm« zu sagen. Als sie den Namen dann nannte, war ich sofort wieder
hellwach.
Der nächste Tag war ein
Samstag. Wir hätten eigentlich länger schlafen können, wachten aber beide um 7
Uhr auf. Ich musste unbedingt Siggi anrufen. Fairerweise wollte ich ihn nicht
vor 8 Uhr stören. Während Hanna sich die Haare föhnte, deckte ich den
Frühstückstisch, lief unruhig in der Küche umher und wartete, bis der Kaffee
durchgelaufen war. Dabei fiel mir ein, dass ich gestern Abend einen wichtigen
Punkt vergessen hatte, zu erwähnen: meine seltsame Übernachtung im Keller der
Weimarhalle. Doch dazu hatte ich keine Kraft mehr gehabt. Ich beschloss, Hanna
beim Frühstück alles zu erzählen. Doch dazu sollte es nicht kommen.
Denn
gegen halb acht hielt ich es nicht mehr aus. Ich wählte Siggis Nummer. Er hob
sofort ab: »Hendrik, gut, dass du anrufst, ich wollte mich schon melden, dachte
aber, ihr schlaft noch. Du bist doch die ganze Zeit der Meinung, dass die beiden
Fälle irgendwie zusammenhängen …«
Ich
hatte das Gefühl, mich setzen zu müssen. »Ja, und?«
»Die
Kollegen vom LKA haben festgestellt, dass Benno und Klaus Felder sich kennen.«
»Was?
Du meinst Klaus Felder, diesen Finanzmenschen, der Kontakt mit Liebrich in
Frankfurt hatte?«
»Genau.
Und der jetzt in Erfurt arbeitet. Die beiden trafen sich in letzter Zeit
regelmäßig, entweder in einem Café in Erfurt oder im Ilmpark in Weimar. Bis das
Ganze vor zwei Wochen schlagartig aufhörte.«
»Aha …
und wisst ihr, was die beiden besprochen haben?«
»Laut
Aussage von Herrn Felder ging es um Möglichkeiten zur Finanzierung des
Theaterbetriebs. Warum sie sich so oft getroffen haben, warum auf neutralem
Gelände statt in ihren Büros und warum die Treffen dann so plötzlich endeten,
all das konnte oder wollte er nicht sagen. Wir bleiben dran.«
»Kann
ja auch etwas ganz Harmloses sein …«
»Träum
weiter …«
»Na hör
mal, glaubst du etwa, Benno hätte etwas mit der Entführung von Frau Pajak zu
tun?«
»Du
hast diesen Zusammenhang doch aufgebracht, nicht ich. Aber keine Sorge wir
prüfen das.«
Meine
Güte, was hatte ich da nur angerichtet? Womöglich die Polizei auf Benno gehetzt
…
»Und
das war noch nicht alles«, fuhr Siggi fort. »Benno kennt auch Frau Berlinger.«
»Wieso
denn das? Er wohnt doch gar nicht in ihrer Nähe.«
»Mensch,
Hendrik, wach endlich auf, er kennt sie beruflich.«
»Ach
so, du meinst, sie hat irgendetwas mit dem Kulturamt der Stadt zu tun?«
»Nein,
Hendrik, es hat mit ihrem Beruf zu tun, nicht mit seinem. Benno ist Kunde bei
ihr.«
Fast
zog es mir den Boden unter den Füßen weg. »Das glaube ich nicht. Unmöglich!«
»Tut
mir leid, Hendrik. Sie hat es bestätigt, er
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