Götterschild
des Herrn zu verteidigen. Deswegen mögen wir keine Bashras.«
Rai war über das Gehörte eher erstaunt als verärgert, dennoch wollte er sich nicht unwidersprochen einen Feigling nennen lassen. »Hör mal zu, Chariuk«, entgegnete er und war von seiner Gelassenheit selbst überrascht. »Du kennst mich überhaupt nicht, also kannst du auch nicht beurteilen, wie ich mich bei einem Kampf verhalte. Nur weil ich zufällig im Moment ein Bashra bin, heißt das noch lange nicht, dass ich deswegen feige bin. Ich habe schon einige kleinere Auseinandersetzungen mitgemacht«, bei dieser Untertreibung musste Rai schmunzeln, »und bin noch nie geflohen. Du kannst also beruhigt sein. Aber du scheinst deinen Herrn ja sehr zu schätzen, wenn du dich so wagemutig für ihn und seine Besitztümer einsetzt.«
»Das, was mein Herr besitzt, sichert mein Auskommen«, erwiderte Chariuk irritiert. »Wenn mein Herr stirbt oder seine Habe verliert, bleibt mir nichts mehr. Also werde ich für ihn und seinen Besitz kämpfen bis zum Tod, wenn es sein muss.«
»Warst du immer schon ein Sklave?«, erkundigte sich Rai interessiert.
»Meine Eltern waren Sklaven«, erzählte Chariuk, »und ich wurde als Sklave geboren. Aber unser damaliger Leibherr wollte mich nicht übernehmen und so ließ er mich frei, als ich volljährig wurde. Das war eine harte Zeit, ich musste mich ganz allein durchschlagen, hatte fast nichts zu essen und kein Dach über dem Kopf. Dann hat mich Leibherr Oibrin als Sklave aufgenommen. Seither arbeite ich für ihn.«
Rai zog fasziniert die Augenbrauen in die Höhe. Dieser Mann schien tatsächlich froh darüber zu sein, seine Freiheit aufgegeben zu haben. Aber wie Rai aus eigener Erfahrung wusste, konnte man einen Menschen, dessen Leben von Hunger und Elend geprägt war, nicht als wahrhaft frei bezeichnen. Im Grunde hatte er nur die Knechtschaft der Armut gegen die Sklaverei bei Sal Oibrin eingetauscht und unter diesen Umständen erschien das als ein durchaus vorteilhafter Handel.
»Aus welchem Teil Etecrars stammst du denn?«, wollte Rai wissen.
»Tanduco«, gab Chariuk zurück. »Wir sind gerade auf dem Weg dahin. Und woher kommst du?«
»Tilet …«, Rai zögerte, »… oder Andobras, wie man es nimmt.«
»Tilet!«, rief Chariuk aus und beäugte Rai misstrauisch. »Gehörst du auch zu diesen Citanhängern, die sich neuerdings überall breitmachen?«
»Nein«, stellte Rai sofort klar. »Mit denen will ich nichts zu tun haben.«
»Ah gut«, antwortete Chariuk. »Es gibt zwar zurzeit unter den Kersilonen viele, die ganz begeistert sind vom Citarim und von dem neuen König in Tilet. Die würden am liebsten ein Teil von Citheon werden. Aber mir sind diese Priester mit ihrem aufgeblasenen Gehabe und dem ganzen Brimborium nicht geheuer. Mir wäre es lieber, wenn alles so bliebe, wie es ist.«
»Da kann ich dir nur zustimmen«, brummte Rai. »Aber wie es aussieht, denken die meisten Kersilonen anders.«
Chariuk nickte betrübt. »Das liegt daran, dass sie sich selbst nach all der Zeit irgendwie immer noch nicht wirklich als Etecrari fühlen. Sie sind in ihrer alten Heimat im Norden verwurzelt. In Tanduco, wo ich herkomme, ist das anders.« Er lachte stolz. »Die Warruds haben die Gesandten der Kirche gar nicht erst an Land gelassen.«
»Die Warruds?«, hakte Rai nach, da ihm der Name bekannt vorkam.
»Das ist eine der wohlhabendsten Familien von Tanduco«, erklärte Chariuk ehrfürchtig. »Und das Oberhaupt, Xalingar Warrud, ist der mächtigste Handelswesir der Stadt. Sein Wort ist dort Gesetz.«
In diesem Moment fiel Rai wieder ein, warum ihm der Name geläufig war. »Ich kenne einen Eringar Warrud«, bemerkte er zurückhaltend. Eigentlich hätte er ja »kannte« sagen müssen, dachte Rai traurig, aber das brachte er nicht übers Herz.
Chariuk musterte den Tileter von Kopf bis Fuß, ehe er zweifelnd die Stirn in Falten zog. »Du willst sagen, dass du Eringar Warrud schon einmal gesehen hast?«
»Nicht nur gesehen«, antwortete Rai. »Ich habe auch mit ihm gesprochen und an seiner Seite gekämpft. Gehört er denn zu dieser Familie Warrud aus Tanduco?«
Chariuk stand sein Argwohn mehr als deutlich im Gesicht geschrieben. »Eringar ist das dritte Kind des Wesirs Warrud und sein einziger Sohn. Xalingar hat ihn vor ein paar Jahren in eine Kriegerschule nach Norden geschickt, damit Eringar als sein Nachfolger dort zu einem perfekten Schwertkämpfer ausgebildet wird. Du dagegen bist nicht eben groß und besonders stark
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