Google-Mitarbeiter Nr. 59
den Händen hielten – sogar als sie ihre eigenen Interessen vorantrieben.
Mein Dad flog für das Kriegsministerium bei nächtlichen Aufklärungseinsätzen über Deutschland und er war bei der Besetzung Frankreichs im Zweiten Weltkrieg dabei. Er hat mir beigebracht, dass jeder eine Flagge schwenken kann; das wahre Maß des Patriotismus ist jedoch, was du wirklich tun kannst, wenn dein Land dich braucht. Ich habe mir das zu Herzen genommen. Trotzdem, wir bei Google waren Amerikaner und wollten unsere Unterstützung zeigen – und es wurde schnell deutlich, dass unsere User – zumindest jene in diesem Land – das auch von uns erwarteten. Ich suchte nach einem Weg, dies angemessen zu tun.
In der Zwischenzeit informierte uns Tim Armstrong, der Leiter unseres New Yorker Vertriebsteams 79 , dass beabsichtigt war, Googles Büro im Zentrum am nächsten Tag wieder zu öffnen. Sie hatten die Kantine leer geräumt und mit sämtlichen Vorräten die Feuerwehrmänner und Polizisten versorgt, aber sie waren begierig, eine gewisse Normalität wiederherzustellen.
Ich stellte meine Arbeit ein. Ich war nicht mit dem Herzen dabei. Stattdessen gab ich Suchbegriffe in Google ein, um zu sehen, was ich über das Wer und Warum der Ereignisse in Erfahrung bringen konnte. Warum der 11. September? Viel konnte ich nicht finden. Die Turner-Tagebücher, ein Roman aus der Neonazi-Szene von 1978 verwies auf Bombenanschläge, die am 11. September in Houston stattfanden. Die israelisch-palästinensische »Declaration of Principles« wurde am 13. September unterzeichnet. Bestenfalls dürftige Verbindungen.
Seltsamer war ein Usenet-Post vom 4. September, in Google Groups archiviert. Jemand, der sich selbst als »Nostradamus« bezeichnete, hatte geschrieben: »Wartet sieben Tage, dann werde ich diesen Post vielleicht beantworten. In sieben Tagen werde ich nämlich von hier fortgehen und ihr werdet nie wieder von mir hören.« Sieben Tage später war der 11. September. Kulpret, unser interner Jurist, informierte mich, dass sich bereits das FBI danach erkundigt hätte.
Sobald die Namen der verdächtigen Terroristen veröffentlicht waren, googelte ich sie. Nur eine Suche beförderte etwas Interessantes zutage. Als ich nach Mohamed Atta suchte, tauchte auf dem Bildschirm eine palästinensische Hilfsorganisation mit Hauptsitz in den Vereinigten Staaten auf. Seinen Namen konnte ich jedoch nirgendwo auf der Website finden. Ich klickte die Cache-Version von Google an, ein Schnappschuss, wie die Seite vor Wochen ausgesehen hatte, als wir sie crawlten. Die ältere Version der Seite verwies auf verschiedene Fälle, in welche die Organisation involviert war, einschließlich des Falles des 17-jährigen Mohamed Atta. Atta wurde in einem amerikanischen Krankenhaus behandelt, nachdem er dort mit einer Schussverletzung eingeliefert worden war. Noch einmal prüfte ich die aktuelle Version der Website, aber Attas Geschichte war entfernt worden – und soweit ich es erkennen konnte, war seine Biografie die einzige, die man gelöscht hatte. Ich wusste nicht, wie verbreitet der Name Atta war, und ich wusste auch nicht, ob es sich um denselben Mohamed Atta handelte, der als Flugzeugentführer identifiziert worden war, aber ich wollte helfen und fand es verdächtig, dass dieser Eintrag gelöscht worden war. Unschlüssig, was ich mit dieser Information tun sollte, wandte ich mich an Sergey. Er sagte, ich solle dem FBI Bescheid geben.
Sergey hatte sich ebenfalls Gedanken gemacht, wie Google bei der Identifizierung der Terroristen helfen könne, aber seine Vorstellungen gingen weiter als meine. Als Erstes schickte er Karen und mir ein Formblatt »Information über terroristische Aktivitäten«, das wir auf unsere Website stellen sollten, damit User Hinweise an das FBI schicken konnten. Dann bat er in aller Stille eine kleine Gruppe von uns, unsere Logdateien durchzugehen.
»Google ist mittlerweile groß genug, dass es absolut möglich ist, dass die Terroristen es genutzt haben, um den Anschlag zu planen«, betonte er. »Basierend auf den sich kreuzenden Suchanfragen, die in der Zeit vor den Flugzeugentführungen durchgeführt wurden, können wir sie vielleicht identifizieren.« Das machte Sinn. Nach dem 11. September gab es natürlich jede Menge Suchanfragen über das World Trade Center und die Explosionskraft eines vollgetankten Jumbojets, aber vor diesem Termin dürften es viel weniger gewesen sein.
Eine kurze Erklärung darüber, welche Daten sich in unseren Logs
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