Google-Mitarbeiter Nr. 59
bereitete mir mehr Sorgen. Overture hatte einen einfachen, aus drei Schritten bestehenden Prozess, um Anzeigen zu gestalten, eine Erfahrung, die so angenehm und leicht war wie das Steuern eines Golfkarts. AdWords Select war wie ein Kampfflugzeug, überladen mit technischen Begriffen, unverständlichen Maßen und Wählscheiben und einer langen Checkliste, bevor deine Anzeige tatsächlich abheben konnte. Ich wollte eine Kurzform mit Standardoptionen, aber Salar meinte, die Detailgenauigkeit wäre die Stärke des Systems und das Verkaufsargument.
Sheryl Sandberg, ein betriebswirtschaftliches Wunderkind und ehemalige Stabschefin des Finanzministeriums, stieß in der Woche zu Google, als der neue Prototyp eingeschaltet wurde. Sie bekam sofort die Verantwortung für die Anzeigenkundenbetreuung sowie für ein Team von fünf Mitarbeitern übertragen. Einer kündigte noch am selben Tag. Sheryl wollte die Dinge ebenfalls vereinfachen, aber es gab keine Möglichkeit, Salar zu umgehen, der eine tiefe Zuneigung zu dem Produkt entwickelt hatte. Salar war besessen von der UI, dem Vertragsprozess, der Funktionsweise der Auktion und sogar vom Text der E-Mails, die an die User gingen. Seine Macht als Produktmanager war absolut. Die tausend beweglichen Teile forderten absolute Konzentration, damit es voranging. Entscheidungen mussten schnell getroffen werden, oftmals um 4 Uhr morgens. Salar war in seinem Element, er lief auf Hochtouren und brachte die Rolle des PM auf ein neues und bedeutendes Maß.
Salar bat mich um einen Text, der erklärte, was AdWords Selects von einem Feld abhob, das Overture mit dem Versprechen dominierte: Zahle für Leistung. Etwas, das die Gemüter der Inserenten bewegen und sie dazu treiben würde, ein neues System auszuprobieren, obwohl sie mit Overture zufrieden waren. Etwas mit weniger als sieben Wörtern.
»Nur Ergebnisse zählen«, schlug ich vor. Der Satz klang gut. Er betonte die beispiellose Qualität unserer Suche und die Bedeutung echter Rendite. Wir verteilten den Slogan großzügig über das Verkaufsmaterial, das wir in Vorbereitung hatten. Falls wir Yahoo und andere gewannen, mussten wir unsere Stärke sowohl als Suchmaschine wie auch als Umsatzbringer bewerben.
Es ging das Gerücht, dass Yahoos Testlauf mit Overture nicht gut funktionierte. Einer unserer Kunden hatte gehört, wie sich Yahoo über das hohe Maß an Irrelevanz in Overtures Listings beschwerte. Ein paar Tage später besserte Overture seine Inserentenrichtlinien aus und führte strengere Kontrollen bei URLs, Anzeigentiteln und Beschreibungen ein. »Angesichts unserer Verpflichtung, eine Weltklasse-Sucherfahrung zu bieten«, vermeldete Overture, »ist es wichtig, dass wir unseren Usern hoch relevante Suchergebnisse liefern.« Offenbar wollten nicht alle User so lange klicken müssen, bis sie das Gesuchte endlich fanden.
Overtures unbekümmerte Zuversicht leitete sich aus den 40.000 Inserenten ab, deren Listings quer durch das Netzwerk ihrer Zehntausenden von Kundenseiten auftauchten. Google verkaufte nur Anzeigen, die auf Google.com erschienen. Wir groß unsere Suchmaschine auch werden würde, sie könnte nie mit der Reichweite eines webweiten Netzwerks konkurrieren.
Im Januar 2002 ließ Omid eine Bemerkung fallen, dass sich die Dinge bald ändern würden. »Eine Menge Firmen, für die wir die Suche durchführen, möchten, dass wir Anzeigen an sie syndizieren in einer Art Umsatzbeteiligung«, erzählte er einem Reporter des Revolutionmagazine.com. 88 »Wir überlegen es uns. Es ist ein Bereich, in dem wir möglicherweise mit Overture konkurrieren werden. Aber es ist nicht unser Kerngeschäft, da wir nicht auf den Datenverkehr Dritter angewiesen sind, um Einkommen zu generieren.«
Omid. Was für ein Schlitzohr. Wir hatten den ersten Syndizierungsvertrag bereits unterschrieben. Unser Vertrieb hatte eine Woche zuvor einen Vertrag mit Earthlink unterzeichnet, um unsere ursprünglichen AdWords-Anzeigen zu unterstützen. Bis deren vorheriger Vertrag auslief, waren sie Kunde von Overture gewesen und stellten unseren ersten Sieg in diesem Kopf-an-Kopf-Rennen dar. Wir hatten ihnen nicht einmal CPC-Anzeigen angeboten. Ich bezweifle, dass Overture deshalb beunruhigt war – im Vergleich zu ihren großen Geschäftspartnern Yahoo und AOL war Earthlink für Overture ein kleiner Kunde. Wir betrachteten den Abschluss jedoch als große Sache. Er bewies, dass wir unsere Anzeigen syndizieren konnten. Unser ehemals kalter Krieg mit Overture begann
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