Google-Mitarbeiter Nr. 59
nehmen.« Es war eine schnelle Entscheidung und strategisch vernünftig, aber nichtsdestotrotz ein Glücksspiel.
AOL feilte währenddessen an Feinheiten herum und zog die Gespräche in die Länge, sodass die Gefahr zunahm, das Geschäft zu verlieren. »Oh, uns ist hier noch etwas aufgefallen, und wir müssen den Text ändern«, schlug Alans Gesprächspartner vor und bezog sich auf Passagen, die zwölf Entwurfsversionen früher bereits geklärt waren. Alan wusste, wie er mit den Mittelmanagern umgehen musste, die auf den letzten Drücker noch Verbesserungen erzielen wollten, um bei ihren Vorgesetzten Eindruck zu schinden.
»Gut«, sagte er. »Wenn das so wichtig ist, rufen sie Dave Colburn noch heute Abend an und lassen ihn mit Eric Schmidt telefonieren.« Alan wusste genau, dass niemand Colburn wegen etwas so Unwichtigem stören und als geprügelter Idiot dastehen würde. Plötzlich war der Text kein Thema mehr.
Während sich die Verhandlungen hinzogen, fuhr Overture damit fort, Google anzugreifen. Der Patentklage folgte ein Geschäft mit Hewlett Packard, der Overture zum Voreinstellungslink für die »Internetsuche« auf HP Pavilion Computern machte. Wenn Hewlett Packard Overture als gut genug für die Internetsuche hielt, wer brauchte dann Google? Und Overture drängte Yahoo, ihren kurzen Anzeigenvertrag für einen größeren Zeitraum zu verlängern. Omid hatte Yahoo schon einmal an Overture verloren. Jetzt brannte er darauf, dieses Geschäft für Google zu holen. Er entschuldigte sich vom Verhandlungstisch bei AOL, um Yahoo über sein Handy anzuflehen, damit sie auf Googles Produkt AdWords Select wechseln. Der Vertrag zwischen Yahoo und Overture lief im Juni aus, also blieb nicht viel Zeit.
Al sich der 1. Mai näherte, gab es aufgeregte Spekulationen darüber, warum AOL noch keine Ankündigung eines Vertrages mit Overture gebracht hatte. »AOL scheint Overture zurechtzuweisen«, lautete ein Online-Kommentar.
Am 30. April klingelte Omids Telefon. Es war Safa Rashtchy. Er sagte, dass Overture den Vertrag mit AOL nicht erneuern würde. Bedeutete das, dass Google ihn gewonnen hatte?
»Ich rufe zurück«, antwortete Omid. Das Geschäft war immer noch nicht unter Dach und Fach.
Schließlich fing Omids Fax an zu arbeiten. 70 Seiten spuckte es aus, ein textlastiges Blatt nach dem anderen. Miriam überprüfte das Dokument, um sicherzustellen, dass nicht noch Änderungen vorgenommen worden waren, und gab es frei. Joan unterzeichnete es. Es war geschafft. Aber noch nicht vorbei.
Der Vertrag mit Overture lief am Mittwoch, den 1. Mai 2002 aus. AOL und Google waren darauf eingestellt, die Übergabe während des Tages vorzubereiten, sodass ab Mitternacht AdWords die Lücken füllen würde, die durch den Abschied von Overture auf den AOL-Seiten entstanden.
Aber Overture landete noch einen letzten wilden Schlag. Der Vertrag lief am 1. Mai aus, bestätigten sie, aber genau um 00.01 morgens und nicht abends – 23 Stunden und 59 Minuten früher, als AOL erwartet hatte. »Overture war ein schlechter Verlierer«, erzählte Allan. »Sie sagten, Nein, Nein, Nein, nicht am Ende des Mittwochs, sondern am Anfang. Wir hassen euch. Ihr seid so gut wie tot.«
Das Google-Team konnte nicht glauben, welche bodenlose Dummheit damit gezeigt wurde. Overture verschenkte nicht nur einen ganzen Tag Umsatz, sondern verärgerte auch AOL.
»Ihr habt auf das richtige Pferd gesetzt«, versicherte Alan AOL. »Wir würden so etwas nie machen.« Overtures Kleinlichkeit zwang AOL zu Klimmzügen, um den Zeitplan einen ganzen Tag vorzuziehen, nur in der Hoffnung, dass Google Panik bekommen und einen Rückzug machen würde und AOL zu ihrem sitzen gelassenen Partner zurückschicken würde. Das passierte nicht. Die Suchanzeigen und syndizierten Anzeigen von Google starteten um 00.01 am 1. Mai 2002 – und die Welt nahm das wahr.
»Das Bündnis mit America Online etabliert Google als wichtigen Wettbewerber auf dem Markt für bezahlte Einträge, den Overture dominierte«, schrieb das Wall Street Journal . Der Aktienkurs von Overture fiel um 36 Prozent. Die Aktien von Inktomi, deren Suchergebnisse Google als Bestandteil des Geschäftes mit AOL ebenfalls ersetzte, fielen um 25 Prozent.
»Das stellt einen Ansatz dar, die Suchmarke von Google zu kapitalisieren«, erkannte der CEO von Overture, Ted Meisel. »Bezahlte Einträge gingen als Nebeneffekt einher.« Seiner Meinung nach hatte AOL wegen der Schwäche von Inktomis Suchergebnissen gewechselt. Overture
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