Google-Mitarbeiter Nr. 59
markierten. Die Technik war die Technik. Das Marketing war das Marketing. Es war klar, auf welcher Seite der Linie du stehst. Leider berücksichtigte meine Vorahnung hinsichtlich der mit dem Wachsen zunehmenden Firmenpolitik nicht die Dimension, in der Google wuchs. Statt der Jahre, von denen ich ausging, handelte es sich lediglich um Wochen, bevor die ersten Grenzwachen und Grenzübergänge auftauchten.
Cindy nutzte die Gelegenheit des neuen Jahrtausends, um Verantwortungsbereiche innerhalb unserer Abteilung zu formalisieren. Sie unterteilte das Marketing in zwei Gruppen – eine unter Sharis Leitung und eine unter meiner. Es war jedoch Salar, der die ersten Zäune zwischen den Abteilungen errichtete.
Meine Bemühungen, organisatorische Klarheit einzuträufeln, war zwar im Keim erstickt worden, aber Salar erkannte, dass unkoordinierte Entscheidungen zu Unstimmigkeiten führen konnten, vor allem bei Themen des User-Interface (UI). Also fällte er das salomonische Urteil, das Kind zu teilen. Marissa Mayer, die in Teilzeit die Funktion Human Computer Interactions (HCI)-Technikerin ausfüllte, sollte Vorschläge für das Erscheinungsbild der Ergebnisseiten entwickeln, während Karen und ich für Inhalt und Design aller anderen Seiten auf Google.com zuständig waren. Marissa und ich würden Modifizierungen der Homepage vorschlagen und Larry würde auf der Basis von Testdaten und seiner eigenen Weltsicht die letztendliche Entscheidung treffen. In der Theorie machte diese Aufteilung Sinn, aber wie die katholische Kirche bereits im Jahr 1378 feststellen musste, machen dich zwei Päpste nicht doppelt unfehlbar.
Wenige Tage später erstellte Marissa eine »UI-Team«-E-Mail-Liste für die Gruppe, die Googles Debatte über Erscheinungsbild und Themen zu Benutzerfreundlichkeit zurechtfeilen sollte. Auf der Liste standen Karen, Marissa und ich, Salar, Shari und die Techniker Bay Chang, Krishna Bharat und Jen McGrath. Wir würden uns wöchentlich zusammensetzen, um den Text zu besprechen, der die neuen Services oder die Farbe besuchter Links oder die Schriftgröße für den Link zur Hilfe-Seite beschrieb. Auf diese Weise konnte Larry eine Sicht aus der Düsenjetperspektive aufrechterhalten, ohne in einem Sandsturm winziger Details verloren zu gehen.
Die UI-Team-Meetings zogen sich über Tage hin – zumindest kam es einem so vor – in dem keimfreien, luftleeren Besprechungsraum, in dem wir uns trafen. Das Licht wurde gedimmt, der Projektor ging an und das Summen der Stimmen, die Designvariationen herunterleierten, hob an. Natürlich hatte ich Meinungen zum Design (die hatte jeder), aber nach zehnminütigem Debattieren über die richtige Schattierung von Blau für eine drei Punkt große Zeile auf der vierten Seite der Ergebnisse begann ich, Männchen zu malen: gelangweilte Skelette, die in endlosen Großraumbüros mit Trennwänden vor ihrer Tastatur saßen. Interaktion zwischen Computer und Mensch – in der Realität.
»Das Inhaltsverzeichnis hat eine fest verdrahtete Breite von sechs fünfzig«, begann zum Beispiel Bay die Diskussion. »Wir wäre es, wenn wir in der Mitte noch eine dritte Spalte mit einer festen Breite anlegen?«
»Die Überschriften scheinen weiter rechts zu stehen als der Text«, schloss sich Marissa möglicherweise fröhlich an. »Können wir das mit dem Rand oder dem Verringern des Zeilenabstands oder der Laufweite verbessern?«
»Nach dem zweiten Punkt in dieser Reihe hast du ein Komma vergessen«, würde ich einwerfen, nur um die ausgelassene Stimmung in Gang zu halten und den Sauerstoff zu meinen Stirnlappen zu befördern.
Sofort brachen Scheingefechte aus und eskalierten schnell zu Designideen, die als HTML-Sketche ausgedrückt wurden. Der an unsere Laptops angeschlossene Projektor schoss Dutzende, wenn nicht gar Hunderte von Entwürfen an die Wand, während wir uns zur intuitivsten Umsetzung für User durchkämpften.
Durch meinen Abschluss in englischer Literatur war ich gehandicapt – eine Bürde, die nur ich trug. Es war ja nicht so, dass ich nicht einmal die grundlegenden HTML-Auszeichnungen verstand (als Konzept zumindest), aber mein begrenztes Wissen ließ mich einseitig unbewaffnet zurück. Ich war mit einer Spielzeugpistole zu einer Uzi-Schießerei erschienen. Während meine Kollegen ruckzuck Programme überarbeiteten und Iterationen zurückspielten, suchte ich Zuflucht bei Papier und Textmarkern, um meine Ideen wiederzugeben. Dieses gönnerhafte Schmunzeln, das du Kleinkindern für
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