Gottes Werk und Teufels Beitrag
kreischte Debra Pettigrew den Hund an, während Homer davonfuhr. »Hör doch endlich auf, Eddy, bitte!« Aber der Hund hetzte dem Cadillac fast eine Meile weit hinterher.
Eddy? dachte Homer Wells. Hatte nicht Schwester Angela einmal jemand Eddy genannt? Er glaubte wohl; aber es mußte jemand gewesen sein, der schnell adoptiert wurde – wie es auch sein sollte.
Als er zu Kendalls Hummerbassin kam, war Ray zu Hause. Er machte Tee und wärmte seine tief gefurchten, rissigen Hände an dem Topf. Unter seinen rissigen Nägeln war der ewige ölschwarze Dreck eines Mechanikers.
»Na, sieh mal an, wer hier das Autokino überlebt hat!« sagte Ray.
»Setz dich und trink Tee mit mir.« Homer sah, daß Candy und Wally aneinandergeschmiegt draußen auf dem Anlegesteg waren. »Verliebte spüren nicht, wie kalt es ist, schätze ich«, sagte Ray zu Homer. »Scheint nicht so, als wären sie fertig mit dem Lebewohlsagen.«
Homer war froh, daß er Tee trinken und bei Ray sitzen konnte; er hatte Ray gern und wußte, daß Ray ihn ebenfalls gern hatte.
»Was hast du heute gelernt?« fragte ihn Ray. Homer wollte schon etwas über die Spielregeln im Autokino sagen, doch er fürchtete, daß Ray etwas anderes wissen wollte.
»Nichts«, sagte Homer Wells.
»Nein, ich möchte wetten, du hast etwas gelernt«, sagte Ray. »Du bist ein Lerner. Ich weiß es, weil ich selbst einer war. Kaum siehst du, wie etwas gemacht wird, kannst du es auch schon selbst; das meine ich.«
Ray hatte Homer den Ölwechsel und das Abschmieren beigebracht, Stecker und Buchsen und Zündpunkteinstellung, Treibstoffzufuhr und Vorderachsfluchtung; er hatte dem Jungen gezeigt, wie man eine Kupplung nachstellt – und zu Rays Verwunderung hatte Homer es behalten. Er hatte ihm auch die Ventileinstellung gezeigt und wie man das Kardangelenk austauscht. Im Lauf eines Sommers hatte Homer mehr über Mechanik gelernt als Wally die ganze Zeit davor. Aber Ray schätzte nicht nur Homers Handfertigkeit.
Ray hatte Respekt vor der Einsamkeit, und eine Waise, so stellte er sich vor, hatte ein gut Teil davon mitbekommen.
»Pah«, sagte Ray, »ich möchte wetten, daß es nichts gibt, was du nicht lernen könntest – nichts, was deine Hände nicht behalten würden, sobald deine Hände es in den Griff bekommen haben, was es auch sein mag.«
»Richtig«, sagte Homer Wells und lächelte. Er erinnerte sich an das perfekte Gleichgewicht der Dilatatoren; wie man sie ruhig zwischen Daumen und Zeigefinger halten konnte, indem man einfach den Griff an der Kuppe des Mittelfingers aufliegen ließ. Er bewegte sich nur genau in dem Moment und dorthin, wo man ihn bewegte. Und wie richtig es war, dachte Homer, daß Spekula in mehreren Größen geliefert wurden; daß es immer eine Größe gab, die genau die richtige war. Und welch genaue Regulierung man vornehmen konnte, mit nur einer halben Drehung der kleinen Flügelschraube; und daß das entenschnäbelige Spekulum die Lippen der Vagina gerade weit genug offenhielt.
Homer Wells, einundzwanzig, in den Dampf über seinem heißen Tee pustend, saß da und wartete darauf, daß sein Leben begann.
Auf der Rückfahrt im Cadillac mit Wally nach Ocean View – als auf die Fels- und Wasseridylle von Heart’s Haven die schmuddeligere, unordentlichere Landschaft von Heart’s Rock folgte – sagte Homer: »Du mußt es mir nicht sagen, wenn du nicht willst, aber – ich habe mich gefragt, wie es passieren konnte, daß Candy schwanger wurde. Ich meine, hast du nicht irgend etwas benützt?«
»Klar, habe ich«, sagte Wally, »einen von Herb Fowlers Gummis, aber er hatte ein Loch.«
»Er hatte ein Loch?« sagte Homer Wells.
»Kein großes«, sagte Wally, »aber ich merkte, daß er ein Loch hatte – weißt du, er leckte.«
»Jedes Loch ist groß genug«, sagte Homer.
»Klar ist es das«, sagte Wally. »So, wie er die Dinger mit sich herumträgt, wurde es wahrscheinlich durchbohrt von etwas in seiner Tasche.«
»Ich schätze, du benutzt die Gummis nicht mehr, die Herb Fowler dir zuwirft«, sagte Homer Wells.
»Das ist richtig«, sagte Wally.
Als Wally schlief – friedlich wie ein Prinz, weltentrückt wie ein König –, glitt Homer aus dem Bett, fand seine Hose, fand die Gummis in seiner Tasche und nahm einen mit ins Badezimmer, wo er ihn mit Wasser aus dem Kaltwasserhahn füllte. Das Loch war winzig, aber präzise, ein feiner, aber ununterbrochener Nadelstrahl Wasser floß aus dem Ende des Gummis. Das Loch war größer als ein Nadelstich,
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