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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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geklappt hat.«
    Sie zuckte mit den Achseln. »Wie lang bleibst du noch hier?«
    »Im Krankenhaus? Etwa zwei Wochen.«
    »Nur noch zwei Wochen? Zwei Wochen nach …«
    »Ja. Am Anfang muss ich wahrscheinlich im Rollstuhl sitzen, aber ich stehe schon ab und zu auf meinen Füßen – oder sollte ich ›auf meinem Fuß‹ sagen?«
    »Ben –«
    »Ungefähr in der Mitte des Sommers«, fuhr er fort, während er ihren mitleidigen Blick ignorierte, »habe ich meine Prothese. Dann sind es Füße.«
    »Wenn du einen Platz zum Wohnen brauchst –«
    »Nein.«
    »Wo willst du denn wohnen?«
    Er zögerte und antwortete dann: »Davids Anwalt ist gestern vorbeigekommen. Anscheinend habe ich ein Haus geerbt.«
    »Aber wer kümmert sich um dich?«
    Er streichelte Bingle. »Ich brauche niemanden.«
    Sie warf Schwester Theresa einen Blick zu, lief rot an, sagte aber zu ihm: »Wenn du wieder einziehen willst –«
    »Auf keinen Fall.«
    »Ich habe nicht gemeint –«
    »Das weiß ich schon«, sagte er.
    Schweigen machte sich breit. Ich wollte da raus und nahm an, dass sich auch Schwester Theresa unwohl fühlte. Doch ein kurzer Blick auf sie machte mir klar, dass sie sich königlich amüsierte.
    »Deine Arbeit«, sagte Camille. »Du kannst ja sicher nicht weitermachen –«
    »Und warum nicht?«
    »Sei realistisch, Ben. Was hast du für Pläne?«
    »Realistisch betrachtet? Mit der Arbeit weitermachen, die ich schon immer tue.«
    »Aber –«
    »Du glaubst, ich sei dazu nicht imstande?«
    »Nein«, erwiderte sie. »Du kannst alles schaffen, was du dir in den Kopf setzt, Ben.«
    »Aber du bist mit meiner Entscheidung nicht einverstanden.«
    »Stimmt, deine Arbeit hat mir nie gefallen, aber nach allem, was passiert ist, hätte ich gedacht, du würdest über einen Berufswechsel nachdenken.«
    »Wenn überhaupt«, entgegnete er energisch, »dann bin ich nur noch entschlossener, alles zu tun, was in meiner Macht steht, um Leute wie Nick Parrish aufzuhalten. Irene – abgesehen von denen aus unserer Gruppe – wie viele Leichen hat der Suchtrupp mittlerweile dort oben gefunden?«
    »Ben!«, schimpfte Camille ärgerlich.
    »Irene?«
    »Zehn Frauen – nach der letzten Zählung«, antwortete ich. »Sie glauben aber, es sind noch mehr.«
    »Sie werden monatelang dort oben zu tun haben, Camille. Alles wegen eines einzigen Mannes. Und jede Familie mit einer vermissten Tochter wird wissen wollen, ob sie eine von ihnen ist.«
    »Das hatten wir doch alles schon«, sagte Camille. »Ich weiß nicht, warum ich vorbeigekommen bin.« Sie wandte sich zur Tür. »Dumm von mir zu glauben, du könntest meine Hilfe brauchen.«
    »Ich bin kein Sozialfall«, sagte er, und seine Wut kehrte in geballter Form zurück. »Und ich müsste schon mehr als ein Bein verlieren, um –«
    »Nicht«, wandte sie rasch ein. »Ich hab’s schon kapiert.«
    Sie machte die Tür auf, blieb stehen und sagte: »Das mit David tut mir Leid.«
    Er schwieg.
    »Pass auf dich auf, Ben«, sagte sie.
    »Du auch, Camille. Danke, dass du gekommen bist. Das meine ich ernst.«
    Sie wandte sich wieder zu ihm um.
    Er lächelte. »Ehrlich. Ich weiß, dass du es gut gemeint hast. Du hast nur vergessen, was für ein« – er warf Schwester Theresa einen Blick zu – »was für ein altes Ekel ich bin.«
    »Nein, hab ich nicht«, sagte sie. »Das ist eines der Dinge, die ich an dir mag.«
    Er lachte.
    Und als ob sie es sich nicht verkneifen könnte, es noch einmal zu sagen, fügte sie hinzu: »Bitte überleg dir, ob du dir nicht eine andere Arbeit suchen willst.«
    Sein Lächeln verschwand. »Vielleicht solltest du das auch tun.«
    Sie ging.
    Alle atmeten gleichzeitig aus, als sich die Tür hinter ihr schloss.
    Bingle imitierte uns mit einem lauten Seufzer.
    »Entschuldige«, sagte Ben zu dem Hund. »Das hat dir vermutlich deinen Besuch vergällt.«
    »Ich habe das Gefühl, er glaubt, er könnte über Nacht bleiben«, sagte ich.
    »So gern ich das auch möchte, Bingle, ich fürchte, das müssen wir verschieben«, meinte Ben.
    Kurz bevor wir gingen, fragte ich: »Ben, wie wollen Sie nach Ihrer Entlassung zurechtkommen?«
    »So weit habe ich noch nicht vorausgedacht. Wahrscheinlich werde ich jemanden einstellen, der mir hilft.«
    Mit einem Dozentengehalt?, dachte ich. Er musste mir meine Zweifel angesehen haben, da er sagte: »Ich muss Schritt für Schritt vorangehen.« Er grinste und fügte hinzu: »Mit nur einem Fuß –«
    »Ach, Herrgott noch mal –«
    Er lachte.
    »Das meine ich ernst.«
    »Viel zu

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