Graf Petöfy
und ein weißes«, lachte Hannah. »Und du willst eine Protestantin sein und eine Pastorstochter? Nein, das hat mir mein Vater selig mit dem Stock ausgetrieben. Und ich dank es ihm noch. Das ist so für Wilde. So wie hier.«
»Wilde? Das darfst du nicht sagen; ich werde dich beim Grafen verklagen. In Ungarn ist alles gut und hohe Kultur. Aber nun geh, ich werde sehen, was ich träume. Was man in der ersten Nacht träumt, das bedeutet was.«
»Schlafe nur überhaupt, das bedeutet dir das Beste.«
Damit trennten sie sich, und nur die Türen bis zu Hannahs Schlafzimmer hin sollten offenbleiben. Franziska hörte noch, wie Hannah die Stufen zu dem Alkoven hinaufstieg; dann wurd es still.
Aber nicht auf lange. Rechtshin, im Gebirge, mocht es gewittert haben, und heftige Windstöße, die jetzt über den See kamen, umlärmten das Schloß so heftig, daß Franziska trotz aller Müdigkeit davon geweckt wurde. Was sie besonders erschreckte, war ein Rasseln wie von Eisenstäben, und so stand sie denn auf und trat in den ihrem Wohnzimmer vorgelegenen großen Saal ein, um hier nach der Ursache zu sehen. Alsbald bemerkte sie, daß es ein weit vorgebauter alter Balkon sei, dessen vom Winde gerütteltes Gitterwerk solchen unheimlichen Ton gab. Ihre Beängstigung schwand jetzt, aber zu noch weiterer Beruhigung ging sie doch bis zu Hannahs Alkoven und horchte hier auf das Atemholen der fest und ruhig Schlafenden.
»Ein gutes Gewissen«, sagte sie. »Warum bang ich mich? Ich war doch sonst nicht so furchtsam.«
Und sie tappte sich wieder zurück und schlief endlich ein.
Vierzehntes Kapitel
Franziska war früh wach, setzte sich an das offene Fenster und sah auf den See hinaus, den von rechts her hohe Berge, von links her Hügelzüge mit Dörfern und Weingärten einfaßten. Einer aus der Reihe dieser Hügel aber, der höchste, war der Schloßberg, dessen steiler Abfall ihn, in der Front wenigstens, noch höher und stattlicher erscheinen ließ, als er war. Er bezeichnete genau die Stelle, wo die Hügellandschaft in das gebirgige Terrain überzugehen anfing. Am Fuße wand sich ein Bach, und Franziska, die gerne sehen wollte, woher er komme, bemerkte, nachdem sie seinen Lauf auch nach aufwärts hin verfolgt hatte, daß es derselbe von der Schloßberghöhe herabkommende Gießbach sei, nach dem Hannah am Abend vorher ausgeschaut hatte.
Sobald sie sich in dem allem zurechtgefunden, wandte sie sich wieder in das Zimmer zurück, um sich hier allmählich und mußevoll mit dem Raum vertraut zu machen, darin sie nun leben sollte. Die Möbel waren alt, aber wohlerhalten, und jedes Stück interessierte sie, zumeist eine Rokokokommode, die mit Schildpatt und großen goldenen Griffen reich ausgestattet war. Über dieser Kommode befand sich eine Bücheretagère von Nußbaumholz, auf deren oberstem Bord allerlei Meißner und chinesisches Porzellan stand, links und rechts zwei kleine Pagoden. Sie setzte dieselben in Bewegung und sah ihrem gravitätischen Kopfnicken zu. Dann aber nahm sie neugierig einige Bände.
»Was mag man nur früher hier gelesen haben?«
Es waren deutsche, französische, namentlich aber englische Bücher in buntester Reihenfolge. »Werthers Leiden« und Thomas a Kempis' »Nachfolge Christi« standen friedlich nebeneinander; dann kamen die »Canterbury Tales« in einer illustrierten Prachtausgabe, zuletzt aber Rousseau, mehrere Bände. Nichts war da, was auf einen bestimmten Geschmack hingedeutet hätte, nur auf jene literarisch gebildete Teilnahme, wie sie während der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts in der Mode war.
Um neun Uhr wurde das Frühstück genommen, und Franziska begab sich auf die Veranda. Der Graf, als er sie kommen sah, warf die Morgenzigarette fort, legte die Zeitung aus der Hand und erhob sich aus seinem Schaukelstuhl, um die neue Schloßherrin zu begrüßen. Sie trug ein Morgenkleid von weißem Kaschmir und empfing Schmeicheleien und Huldigungen von seiten des Grafen, der einen ausgebildeten Sinn für Toilettendinge hatte. Sie setzte sich ihm gegenüber, und keinen Augenblick im Zweifel, welcher Ton anzuschlagen sei, begann sie von ihrer ausgestandenen Angst und Unruhe zu berichten.
»Und nun sage mir, Petöfy, habt ihr wirklich keine Gespenster?«
»Nein, Fränzl, in dem einen Stücke sind wir durchaus modern. Ein paarmal hat uns der Toldy dergleichen aufreden wollen; aber es kam nicht. Ich vermute, aus Respekt vor meinen Pistolen.«
»Und doch glaub ich an Spuk und dergleichen.«
»Ich
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