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Grant County 05 - Gottlos

Grant County 05 - Gottlos

Titel: Grant County 05 - Gottlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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Melodie man gut kennt. Man nimmt sich vor, sich die Worte zu merken, diesmal wirklich aufzupassen, aber nach der dritten Zeile vergisst man sein Vorhaben wieder und überlässt sich gedankenlos der vertrauten Melodie. Selbst nach sechs Monaten des Zusammenlebens wusste Lena kaum mehr als oberflächliche Dinge über die Bibliothekarin. Nan war tierlieb, obwohl sie hochgradig allergisch war, sie häkelte gern und verbrachte die Freitag- und Samstagabende mit Lesen. Sie sang unter der Dusche, und morgens trank sie grünen Tee aus einer blauen Tasse, die Sibyl gehört hatte. Ihre dicken Brillengläser waren ständig verschmiert, obwohl sie bei allem anderen unglaublich penibel war. Sie trug am liebsten bunte Kleider, derenFarben im Allgemeinen besser zu Ostereiern passten als zu einer erwachsenen Frau von sechsunddreißig Jahren. Wie Lena und Sibyl war Nan die Tochter eines Polizisten. Ihr Vater lebte zwar noch, aber Lena hatte ihn nie kennengelernt oder mitgekriegt, dass er anrief. Wenn das Telefon überhaupt mal klingelte, war es meistens Ethan, der Lena sprechen wollte.
    Als Lena zurück zum Haus kam, stand Nans brauner Corolla hinter Lenas Celica in der Einfahrt. Lena fragte sich, wie lange sie unterwegs gewesen war, und sah auf die Uhr. Als Ausgleich für gestern hatte Jeffrey ihr den Vormittag freigegeben, und sie hatte sich darauf gefreut, ein wenig Zeit für sich allein zu haben. Normalerweise kam Nan erst mittags zurück. Jetzt war es kurz nach neun.
    Auf dem Weg zur Haustür hob Lena den «Grant Observer» vom Rasen auf und überflog die Schlagzeilen. Am Samstag hatte ein Toaster Feuer gefangen, und die Feuerwehr musste ausrücken. Zwei Schüler der Robert-E.-Lee-Highschool hatten den zweiten und den fünften Platz im landesweiten Mathematikwettbewerb gemacht. Kein Wort über das Mädchen, das im Wald gefunden worden war. Wahrscheinlich war die Zeitung bereits im Druck, als Jeffrey und Sara über das Grab gestolpert waren. Morgen würde die Geschichte bestimmt groß auf der Titelseite stehen. Vielleicht würde es ihnen helfen, die Familie des Mädchens zu finden.
    Während sie die Tür öffnete, las sie die Toaster-Geschichte und fragte sich, wieso ganze sechzehn Mann der freiwilligen Feuerwehr nötig gewesen waren, um den Brand zu löschen. Unbewusst spürte sie eine Veränderung im Raum und fuhr erschrocken zusammen, als sie sah, dass Nan Besuch hatte. Neben ihr saß Greg Mitchell, Lenas Exfreund. Sie hatten drei Jahre zusammengelebt, bevor er endgültig genug von Lenas Launen hatte. Er hatte seine Sachen gepackt, während sie bei der Arbeit war – ein feiger, aber nachvollziehbarer Akt –, und hatte nichts als einen Zettel am Kühlschrank hinterlassen. Die Nachrichtwar so kurz, dass sie sich heute noch an jedes Wort erinnerte. «Ich liebe dich, aber ich kann nicht mehr. Greg.»
    In den letzten sieben Jahren hatten sie genau zweimal miteinander gesprochen, beide Male hatten sie telefoniert, und beide Male hatte Lena den Hörer auf die Gabel geknallt, bevor Greg auch nur «Ich bin’s» hatte sagen können.
    «Lee!» Nan schrie beinahe und stand hastig auf, als fühlte sie sich ertappt.
    «Hallo», brachte Lena mühsam heraus. Unwillkürlich hielt sie sich die Zeitung vor die Brust, als wolle sie sich damit schützen. Vielleicht brauchte sie tatsächlich einen Schutzschild.
    Neben Greg saß eine Frau auf der Couch, die etwa in Lenas Alter war. Sie hatte einen olivenfarbenen Teint und trug ihr braunes Haar in einem lockeren Pferdeschwanz. An einem guten Tag hätte man sie vielleicht für eine von Lenas entfernten Cousinen halten können – eine von den hässlichen auf Hanks Seite. Heute, neben Greg, wirkte sie eher wie ein billiges Flittchen. Auch wenn Lena mit Genugtuung feststellte, dass Greg sie durch eine schlechte Kopie ersetzt hatte, musste sie einen Anflug von Eifersucht unterdrücken, als sie fragte: «Was willst du denn hier?» Als sie sein bestürztes Gesicht sah, versuchte sie, weniger schroff zu klingen. «Ich meine, hier in der Stadt. Was machst du zu Hause?»
    «Ich, äh …» Greg grinste verlegen. Vielleicht hatte er befürchtet, dass sie mit der Zeitung auf ihn losging. Es wäre nicht das erste Mal gewesen.
    «Ich habe mir das Schienbein gebrochen.» Er zeigte auf sein Bein. Dann sah sie die Krücke, die zwischen ihm und der Frau auf der Couch lag. «Ich bin für eine Weile zu Hause. Meine Mutter kümmert sich um mich.»
    Lena fiel ein, dass seine Mutter nur zwei Straßen weiter wohnte. Sie

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