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Grant County 05 - Gottlos

Grant County 05 - Gottlos

Titel: Grant County 05 - Gottlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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dann sagte er laut: «Ent schuldigen Sie bitte, Sir?»
    Als der Mann sich umwandte, wich sein zorniger Ausdruck einem verwirrten Blick, bevor er schließlich mürrisch den Mund verzog. Sein langärmliges weißes Hemd war stocksteif gestärkt, die Jeans hatten messerscharfe Bügelfalten. Er trug eine Baseballkappe der West Georgia Braves, unter der seine Segelohren hervorstanden. Jetzt wischte er sich mit dem Ärmel den Speichel vom Mund. «Kann ich Ihnen weiterhelfen, Sir?» Lena fiel auf, dass er von der Schreierei heiser war.
    Jeffrey sagte: «Wir suchen Ephraim Bennett.»
    Wieder veränderte sich der Gesichtsausdruck des Mannes. Er lächelte freundlich, und seine Augen fingen an zu leuchten. «Sie finden ihn drüben auf der anderen Seite», sagte er und zeigte in die Richtung, aus der Jeffrey und Lena gekommen waren. «Sie fahren zurück, biegen links ab, und dann sehen Sie es schon, ein paar hundert Meter weiter auf der rechten Seite.»
    Trotz seiner freundlichen Miene war die Atmosphäre zumZerreißen gespannt. Der hilfsbereite ältere Mann war nur schwer mit dem zeternden Griesgram von eben unter einen Hut zu bringen.
    Lena musterte die Gruppe, insgesamt waren es vielleicht zehn. Einige von ihnen sahen aus wie lebende Leichen. Besonders eines der Mädchen schien sich kaum auf den Beinen halten zu können, doch Lena war sich nicht sicher, ob sie krank oder high war.
    «Danke», sagte Jeffrey, doch er machte nicht den Eindruck, als würde er schon gehen wollen.
    «Einen gesegneten Tag noch», gab der Alte zurück, dann drehte er Jeffrey und Lena mehr oder weniger rüde den Rücken zu. «Kinder», verkündete er und hielt die Bibel empor, «lasst uns aufs Feld zurückkehren.»
    Lena spürte Jeffreys Zögern und rührte sich nicht, bis er es tat. Zwar konnten sie den Mann schlecht zur Rede stellen und fragen, was zum Teufel hier eigentlich vor sich ging. Aber Lena war sich sicher, dass Jeffrey das Gleiche dachte wie sie: Irgendwas stimmte hier nicht.
    Sie schwiegen, bis sie wieder im Wagen saßen. Jeffrey ließ den Motor an und legte den Rückwärtsgang ein.
    Lena sagte: «Seltsam.»
    «Wie meinst du das?»
    Sie fragte sich, ob er doch anderer Meinung war oder nur hören wollte, was sie von der Sache hielt.
    «Dieser ganze Bibelmist», erklärte sie.
    «Er wirkte ziemlich übereifrig», gab Jeffrey zu, «aber von der Sorte gibt es hier so einige.»
    «Trotzdem», erwiderte Lena. «Wer nimmt schon eine Bibel mit zur Arbeit?»
    «Eine Menge Leute in dieser Gegend, schätze ich.»
    Sie bogen wieder auf die Hauptstraße, und fast im gleichen Moment entdeckte Lena einen Briefkasten mit einer Hausnummer,der auf ihrer Seite der Straße einsam aus dem Boden ragte. «Dreihundertzehn», sagte sie. «Hier ist es.»
    Jeffrey bog ab. «Nur weil jemand religiös ist, heißt das nicht, dass er was auf dem Kerbholz hat.»
    «Das habe ich nicht gesagt», entgegnete Lena, auch wenn sie es vielleicht genau so gemeint hatte. Seit sie zehn Jahre alt war, hasste sie die Kirche und alles, was auch nur entfernt an einen Mann, der von der Kanzel predigte, erinnerte. Ihr Onkel Hank war inzwischen süchtiger nach seiner Religion, als er es jemals nach den Drogen gewesen war, die er sich dreißig Jahre lang gespritzt hatte.
    Jeffrey mahnte: «Wir dürfen uns davon nicht beeinflussen lassen.»
    «Ja, ja.» Lena fragte sich, ob ihm entfallen war, dass sie vor nicht allzu langer Zeit von einem Jesus-Freak vergewaltigt worden war, der seine Opfer kreuzigte. Wenn sie etwas gegen Religion hatte, dann gab es einen verdammt guten Grund dafür.
    Die Einfahrt war so lang, dass Lena schon befürchtete, sie hätten noch eine falsche Abzweigung genommen. Als sie an einer windschiefen Scheune und einem Wirtschaftsgebäude vorbeifuhren, hatte Lena das Gefühl, ein Déjà-vu zu erleben. In Reese, wo sie aufgewachsen war, hatten alle Farmen so ausgesehen. Die Reagan-Wirtschaft und der Abbau der Subventionen hatten die kleinen Farmer in die Knie gezwungen. Ganze Familien sahen sich genötigt, das Land, das über Generationen von ihnen beackert worden war, den Banken zu überlassen. In den meisten Fällen wurde der Boden an irgendeinen internationalen Konzern verkauft, der saisonweise Schwarzarbeiter anheuerte, um die Löhne zu drücken und die Erträge zu maximieren.
    Jeffrey fragte: «Wird Zyanid heutzutage noch in Pestiziden verwendet?»
    «Keine Ahnung.» Lena nahm ihren Notizblock heraus. Sie würde es später recherchieren.
    Als sie die Kuppe eines

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