Grant County 05 - Gottlos
auf Privatbesitz», erinnerte ihn Paul, in seinem Auftreten und seiner Sprache mit jeder Faser Anwalt.
Lev schlug vor: «Wir können die Schichten umorganisieren und die Leute, die mit Abby zu tun hatten, von anderen vertreten lassen. Wäre Mittwoch früh in Ordnung?»
«Wenn es nicht anders geht», sagte Jeffrey widerwillig.
Esther rang die Hände in ihrem Schoß, und Lena spürte, dass sie ärgerlich war. Sie war eindeutig anderer Meinung als ihre Brüder, doch genauso eindeutig war, dass sie ihnen nicht widersprechen würde. Stattdessen sagte sie: «Ich zeige Ihnen Abbys Zimmer.»
«Danke», sagte Lena, und alle standen gleichzeitig auf. Glücklicherweise kam nur Jeffrey mit in den Flur.
Vor der letzten Tür blieb Esther stehen und stützte sich an der Wand ab, als wäre ihr schwindelig.
Lena sagte: «Ich weiß, wie schwer das für Sie sein muss. Wir tun alles, was in unserer Macht steht, um rauszufinden, wer das getan hat.»
«Sie war sehr gern für sich.»
«Glauben Sie, sie hatte Geheimnisse vor Ihnen?»
«Alle Töchter haben Geheimnisse vor ihren Müttern.» Esther öffnete die Tür und blickte in das Zimmer. Trauer machte sich auf ihrem Gesicht breit, als sie die Habseligkeiten ihrer Tochter betrachtete. Lena war es mit Sibyls Besitztümern genauso ergangen. Jeder Gegenstand war mit einer Erinnerung an die glücklichen Zeiten verknüpft, als Sibyl noch am Leben war.
Jeffrey fragte: «Mrs. Bennett?» Sie stand ihnen in der Zimmertür im Weg.
«Bitte», flüsterte sie plötzlich und packte ihn am Jackenärmel, «bitte finden Sie heraus, warum das geschehen musste. Es muss einen Grund dafür geben.»
«Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht –»
«Das reicht nicht», beharrte sie. «Bitte. Ich muss wissen, warum sie von uns genommen wurde. Ich muss es wissen, um meiner selbst willen, sonst findet meine Seele keine Ruhe.»
Jeffreys Adamsapfel zuckte. «Ich will keine leeren Versprechungen machen, Mrs. Bennett. Aber ich kann Ihnen versichern, dass ich alles versuchen werde.» Er zog eine Visitenkarte heraus und vergewisserte sich, dass niemand sie beobachtete. «Meine Privatnummer steht auf der Rückseite. Rufen Sie mich jederzeit an.»
Esther zögerte, dann nahm sie die Karte und versteckte sie im Ärmel ihres Kleides. Sie nickte Jeffrey einmal zu, als hätten sie einen Pakt geschlossen. Dann trat sie zurück und ließ sie in das Zimmer ihrer Tochter. «Ich lasse Sie allein.»
Jeffrey und Lena tauschten einen Blick, als Esther zu ihrer Familie zurückging. Sie war sich sicher, dass er Esthers Bitte genauso viel Verständnis entgegenbrachte wie sie selbst. Allerdingserhöhte sie damit nur den Druck in einem Fall, der sowieso äußerst schwierig aufzuklären sein würde.
Lena betrat das Zimmer und begann mit der Durchsuchung, während Jeffrey auf dem Flur stehenblieb und einen Blick in Richtung Küche warf. Er vergewisserte sich, dass ihn keiner sah, dann ging er den Flur hinunter. Lena überlegte, ob sie ihm nachgehen sollte, als er mit Rebecca Bennett in der Tür wieder auftauchte.
Entschlossen führte er Rebecca ins Zimmer ihrer Schwester, die Hand an ihrem Ellbogen wie ein fürsorglicher Onkel. Leise erklärte er: «Es ist sehr wichtig, dass du uns von Abby erzählst.»
Rebecca sah nervös zur Tür.
«Möchtest du, dass ich die Tür zumache?», fragte Lena und legte die Hand auf die Klinke.
Nach kurzem Zögern schüttelte Rebecca den Kopf. Lena sah sie aufmerksam an und stellte fest, dass sie ebenso hübsch war wie ihre Schwester unscheinbar. Sie hatte die Zöpfe gelöst, und ihr glänzendes dunkelbraunes Haar ergoss sich in Wellen über ihre Schultern. Esther hatte gesagt, das Mädchen sei vierzehn, aber man sah bereits eine gewisse Fraulichkeit, die bestimmt schon jetzt viel für Aufmerksamkeit sorgte. Lena ertappte sich bei dem Gedanken, warum Abby und nicht Rebecca entführt und in der Kiste begraben worden war.
Jeffrey fragte: «Hatte Abby einen Freund?»
Rebecca biss sich auf die Lippe. Normalerweise war Jeffrey gut darin, den Leuten Zeit zu lassen, aber jetzt war er ungeduldig, weil er fürchtete, die Familie des Mädchens könnte sie überraschen.
«Ich habe auch eine ältere Schwester», sagte Lena, wobei sie verschwieg, dass Sibyl tot war. «Ich weiß, du hast Angst, sie zu verpetzen, aber Abby ist nicht mehr hier. Du hilfst ihr, wenn du uns die Wahrheit sagst.»
Das Mädchen kaute weiter auf ihrer Lippe. «Ich weiß nicht», murmelte sie, und Tränen schossen ihr in
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