Grant County 05 - Gottlos
ihm, packte ihn am T-Shirt und schleuderte ihn Jeffrey vor die Füße. Jeffrey reagierte langsam, doch er schaffte es gerade noch, den Jungen aufzufangen, bevor er mit dem Gesicht auf den Boden schlug. Er konnte allerdings nicht mehr verhindern, dass er auf den Metalltisch knallte.
«Scheiße», fluchte Chip und hielt sich den Ellbogen.
«Halb so schlimm», sagte Jeffrey und zog ihn am Kragen hoch.
Chip krümmte sich vor und hielt sich den Ellbogen. «Das hat wehgetan.»
«Halt den Mund», knurrte Lena und hob das Polaroid vom Boden auf. «Sieh dir das Bild an, du Weichei.»
«Ich kenn sie nicht.» Er rieb sich immer noch den Ellbogen, und Jeffrey war sich nicht sicher, ob er log oder die Wahrheit sagte.
Lena fragte: «Warum wolltest du dann abhauen?»
«Ich bin vorbestraft.»
«Lass den Scheiß», sagte Lena. «Warum wolltest du abhauen?» Als er nicht antwortete, schlug sie ihm gegen den Hinterkopf.
«Verdammt, Mann.» Chip rieb sich den Kopf und sah sich hilfesuchend nach Jeffrey um. Er war kaum größer als Lena, undobwohl er mehr wog als sie, war sie eindeutig die Kräftigere von beiden.
«Beantworten Sie die Frage», sagte Jeffrey.
«Ich will nicht wieder in den Knast.»
Jeffrey fragte: «Werden Sie gesucht?»
«Ich bin auf Bewährung draußen.» Er hielt sich immer noch den Arm.
«Sehen Sie sich das Foto nochmal genau an», sagte Jeffrey.
Chip knirschte mit den Zähnen, aber offensichtlich war er es gewohnt, zu tun, was man ihm sagte. Er sah sich das Foto an. Sein Gesicht zeigte keine erkennbare Regung, doch Jeffrey bemerkte, dass sein Adamsapfel sich auf und ab bewegte.
«Sie kennen Sie, richtig?»
Chip blickte zu Lena, als hätte er Angst, sie würde ihn wieder schlagen. «Wenn es das ist, was Sie hören wollen, ja. Okay.»
«Ich will die Wahrheit hören», sagte Jeffrey, aber als Chip ihn ansah, waren seine Pupillen so groß wie Dollarmünzen. Offensichtlich war der Typ vollkommen high. «Wussten Sie, dass sie schwanger war, Chip?»
Er blinzelte. «Ich hab keine Kohle, Mann. Ich kann nicht mal mich selbst durchbringen.»
Lena sagte: «Wir wollen dich hier nicht wegen Unterhalt drankriegen, du blöder Schwachkopf.»
Plötzlich ging die Tür auf, und das Mädchen von der Bühne stand vor ihnen. «Alles okay hier drin?», fragte sie.
Jeffrey drehte sich nach dem Mädchen um, und Chip nutzte die Gelegenheit, ihm die Faust ins Gesicht zu rammen.
«Chip!», kreischte das Mädchen, als er sie zur Seite stieß.
Jeffrey stürzte zu Boden und sah buchstäblich Sterne. Das Mädchen schrie wie eine Sirene und ging wie eine Furie auf Lena los, damit sie nicht hinter Chip her konnte. Jeffrey blinzelte, erst sah er doppelt, dann dreifach. Er schloss die Augen wieder und machte sie eine ganze Weile nicht mehr auf.
Jeffrey fühlte sich schon wieder besser, als Lena ihn bei Sara absetzte. Die Stripperin, Patty O’Ryan, hatte Lena die Hand blutig gekratzt, aber mehr Schaden hatte sie nicht anrichten können. Lena hatte ihr den Arm auf den Rücken gedreht und sie zu Boden geworfen. Als Jeffrey die Augen wieder geöffnet hatte, legte Lena der Kleinen gerade Handschellen an.
«Tut mir leid», war das Erste, was Lena sagte, doch sie wurde von Patty O’Ryans Geschrei übertönt: «Fickt euch, ihr beschissenen Arschlöcher!»
In der Zwischenzeit war Charles Wesley Donner abgehauen, aber sein Boss zeigte sich hilfsbereit und rückte auf Nachfrage bis auf Chips Unterhosengröße alles raus, was er über ihn wusste. Der Vierundzwanzigjährige arbeite seit weniger als einem Jahr im Pink Kitty. Er fuhr einen 1980er Chevy Nova und wohnte in einer Absteige auf der Cromwell Road unten in Avondale. Jeffrey rief bei Chips Bewährungshelferin an, die nicht besonders erfreut war, mitten in der Nacht rausgeklingelt zu werden. Sie bestätigte die Adressangaben, und Jeffrey schickte einen Streifenwagen hin. Eine Fahndungsmeldung war bereits draußen. Allerdings hatte Donner sechs Jahre wegen Drogenhandel abgesessen und wusste wahrscheinlich sehr gut, wie man sich vor der Polizei versteckte.
Jeffrey öffnete so leise wie möglich die Tür, um Sara nicht zu wecken. Chip war zwar nicht besonders kräftig, aber er hatte genau die richtige Stelle getroffen: unter dem linken Auge, direkt neben dem Nasenrücken. Aus Erfahrung wusste Jeffrey, dass es am nächsten Tag erst richtig blau wurde, die geschwollene Nase machte ihm schon jetzt das Atmen schwer. Seine Nase hatte wie immer bei solchen Gelegenheiten geblutet wie ein
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