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Grass, Guenter

Grass, Guenter

Titel: Grass, Guenter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grimms Woerter
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und
Vaterland sowie auf den Reichsführer der Waffen-SS vereidigt wurden. Satz für
Satz sprachen wir nach: »Ich gelobe...« Feierlich war uns, war mir zumute. Nach
dem Schwur wurde gesungen: »Wenn alle untreu werden, so bleiben wir doch
treu...«
    Dazu
kam es nicht. Das Kriegsende befreite mich von dem beschworenen blinden
Gehorsam, ohne daß ich sogleich sehend wurde und begriff, welches Ausmaß an
Verbrechen ein Eid, gesprochen in einer Frostnacht, bemänteln kann. Nie wieder
würde ich einen Eid leisten.
     
    Die Brüder Grimm jedoch
meinten, gemeinsam mit fünf anderen ein frühes Beispiel für etwas gegeben zu
haben, das gegenwärtig Verfassungspatriotismus genannt wird; aber mit Blick auf
den jähen Verfassungsbruch des Königs Ernst August von Hannover fällt
heutzutage auf, um wieviel Substanz betrogen die in der Bundesrepublik
Deutschland seit sechzig Jahren gültige Verfassung mittlerweile ist.
    Sie
hält nicht, was sie verspricht. Weder ist die ihr eingeschriebene soziale
Verpflichtung des Eigentums Wirklichkeit geworden, noch ist jeder Bürger vor
dem Gesetz gleich. Als sich nach dem Zerfall des anderen deutschen Staates Aussicht
auf Einheit bot, wurde der Schlußartikel des Grundgesetzes, der im Fall
möglicher Vereinigung beider Staaten vorschrieb, der gesamtdeutschen
Bevölkerung eine neue Verfassung vorzulegen, gebeugt und später getilgt. Und
seitdem das Verfassungsrecht auf Asyl beschnitten, nur noch Fragment ist, sind
Abschiebehaft und gewaltsames Abschieben von Flüchtlingen tagtägliche Praxis;
beschämend nicht nur für jeden, der sich noch immer Verfassungspatriot nennt.
    An
diese beschädigte Grundlage des Staates könnte mich kein Eid binden. Und hätte
ich, was mir erspart blieb - in welcher Funktion auch immer - auf ihren noch
heilen, einst vielversprechenden Wortlaut einen Eid geleistet, müßte ich ihn
nunmehr brechen, allein schon wegen des brutalen Umgangs mit Asylsuchenden, des
Rückfalls in Barbarei.
     
    Den
Brüdern Grimm jedoch wurde, wenn auch widerwillig, Asyl gewährt. Aber eine
Berufung als Bibliothekare in Kassel oder als Professoren an die Universität
Marburg, wo Jacob und Wilhelm in jungen Jahren studiert hatten, scheiterte am
Kleingeist der kurfürstlichen Regierung, so sehr Bettine von Arnim die Behörden
mit Bittgesuchen bedrängte. Sie sparte weder an Tinte, noch war sie um werbende
Worte verlegen, sobald sich irgendwo der Vorschein einer Hoffnung bot.
Ungefragt bewarb sie sich stellvertretend für die Grimms.
    So
kann es nicht verwundern, wenn die mit vielerlei Talent begnadete Schwester des
Clemens Brentano - sie schrieb, zeichnete, musizierte - besonders Jacob
verstörte. Ihr unbekümmerter Mut. Ihr inständiges Räsonnieren. Ihre schwerelose
Phantasie. Und ihr beflissenes Mitleid mit Bedürftigen, Verstoßenen,
Verfolgten: niemand entging ihrer Barmherzigkeit.
    All
das erschwerte den Umgang mit ihr. Die trotz der Jahre Last - sie war in Jacobs
Alter - immer noch jugendlich anmutende Mutter von sieben Kindern, deren ungestillter
Liebesdrang sich nicht nur in Briefen ergoß, fiel selbst ihren Freunden zur
Last. Dahlmann und Gervinus beklagten ihr kaum zu überhörendes Wortgetümmel.
Immerfort führte sie Beschwerde. Einerseits bewundert, galt sie andererseits
als Nervensäge.
    Hinzu
kam der Streit, den sie mit ihrem Schwager Savigny pflegte, weil der einstige
Lehrer und väterliche Freund der Brüder Grimm - ein Staatsbeamter, dessen Betragen
in einem biedermeierlichen Benimmbuch als beispielhaft hätte bebildert werden
können - jenen nun, da sie in Not, nicht bedingungslos beistehen wollte.
    Ganz
anders Bettine. Schon seit Goethes Tagen war sie als irrlichternde Närrin
verrufen. Und doch ist sie es gewesen, die schließlich allen anderen voran die
Berufung der Brüder Grimm nach Berlin befördert hat.
    Sie
war der Mund ihrer Zeit. Ihr unwiderstehlicher Wortschwall, in Büchern, die
immer aufs Ganze gingen, in Briefen, die kein Geheimnis wahrten. Besonders
Jacob litt unter ihrer plapprigen Zudringlichkeit. Sie bewies immer wieder, daß
ihr des Martin Opitz Botschaft, »dasz wir für unser maul kein blat nicht dürfen
nehmen«, so recht wie billig war.
    Hinzu
kamen ihre Tiergartenbesuche mit Studenten - bei Vollmond! -, ihr, aus
Bürgersicht, familiäres Chaos. Hingegen setzte unser von Zitaten auf vielerlei
Belegzetteln eingeschneites Brüderpaar, das immer noch planlos und vom Zufall
gefüttert von Kienspan auf Pastorenläuse kam und von der Gaupe ins

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