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Grass, Guenter

Grass, Guenter

Titel: Grass, Guenter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grimms Woerter
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glatt, Jacobs gelockt auf die Schultern. Wäre Ludwig Emil hier, könnte
er die Brüder in einem Conterfei mit schnellem Stift carikieren.
     
    Doch
so eifrig sie dem C hinterdrein waren, so mager sah ihre Beute aus: wenig fand
ihre Gunst. Darüber verging der Sommer. Und als es herbstete, bewegten beide
nur welkes Laub. Oder ihre Gedanken waren anderswo tätig. Jacob wird sich
bemüht haben, der deutschen Grammatik zu weiterem Regelwerk zu verhelfen;
Wilhelm kam vermutlich auf seine Kudrun zurück oder auf den mittelalterlichen
Konrad von Würzburg. Correcturen schienen notwendig zu werden, Anmerkungen,
Fußnoten, Kleinkram, der allerdings aufwendig war und gewiß nicht dem allseits
anschwellenden Vorhaben diente, das dem sich von Gipfel zu Gipfel steigernden
Gebirge und zugleich einem schachttiefen Bergwerk glich.
    Dabei
hatten beide - mehr Jacob als Wilhelm -, während sie noch die Wege des
Tiergartens vom Platz an den Zelten am Spreeufer, über die Hofjägerallee bis
hin zur Fasanerie ausmaßen, ohne Unterlaß die mahnenden Worte ihres Verlegers
Reimer im Ohr, der in Briefen drängte: »Zum Wörterbuch fehlen wohl immer noch
viel Materialien? Wir würden uns um so mehr freuen, wenn es erst zum Druck
käme, da es ein so entsprechendes Unternehmen für die Zeit gewaltigen
nationalen Aufschwungs ist...«
    Weder
noch. Wie der zwar wachsenden, aber ungestalteten, weil ohne Concept
angehäuften Sammlung von Belegzetteln mit Citaten zu Stichwörtern nichts
Druckfertiges abzugewinnen war, so verhielt sich das Vaterland unfertig. Uneins
blieb es kleinteilig nur jeweiligem Fürsteninteresse dienlich. Nirgendwo
konnte, wollte oder durfte sich etwas bewegen. Alles stockte, trat auf der
Stelle. Unlust machte sich breit. Hinzu kam, daß den Spaziergängen auf Lennes
vorgezeichneten Wegen durch allerlei Krankheiten ein vorläufiges Ende gesetzt
wurde.
    Nichts
Lebensbedrohliches, keine Epidemie, etwa die Cholera warf sie aufs Siechenbett,
wenngleich dieses Schreckenswort den Grimmbrüdern zum Stichwort hätte taugen
können. Hebräisch leitet es sich von Chole gleich Krankheit und ra gleich böse
ab. Im Wörterbuch ist es nicht zu finden. Dabei wird im Simplizissimus die
»schnelle Catharina« erwähnt, ein oft zum Tode führender Durchfall, den auch
die Cholera zur Folge hatte. Tausende, ob arm oder reich, schieden dahin.
    Gegen
Ende der zwanziger Jahre, als Jacob und Wilhelm gerade begonnen hatten,
Göttingens Universitätsbibliothek zu ordnen, wütete sie in Berlin. Sogar die
deutsche Philosophie nahm Schaden, hat doch die Cholera Hegel hinweggerafft
und dessen deutlichsten Widersacher Schopenhauer vertrieben. Aber Bettine bot
die tödliche Plage Gelegenheit, ihrer caritativen Neigung zu folgen, in
Seuchenhäusern behilflich zu werden und Sterbenskranke mit Belladonna zu
versorgen.
    Die
Brüder Grimm jedoch wurden ein Jahrzehnt später von Krankheiten geplagt, denen
die Ärzte keine Namen zu geben wußten.
     
    Bevor
aber der eine, der andere Bruder kränkelte, dann beide zugleich, schließlich
auch Wilhelms Frau Dorothea das Bett hüten mußte und Gustchen angehalten war,
für kalte Umschläge und heißen Camillentee zu sorgen, wurde Jacob, kurz nachdem
ihm ein zweitklassiger preußischer Orden angeheftet worden war, vom
französischen Bürgerkönig Louis Philippe das Kreuz der Ehrenlegion verliehen.
    Er,
dem Orden nichts als Klimbim waren - »abschaffenswert!« -, er, dem Frankreich
seit seiner Dienstzeit unter Napoleons Bruder Jerome, auch »König Lustik«
genannt, zuwider war, weil die Franzosen im Jahr dreizehn, als sie Kassel
räumen mußten, in Hast und doch gründlich ganze Wagenladungen Bücher, Stapel
Gemälde und sonstige Kunstschätze von Schloß Wilhelmshöhe als confiszierte
Beute nach Paris verschleppt hatten; er, Jacob Grimm, der mitansehen mußte, wie
der erlesene Bücherbestand der von ihm betreuten Bibliothek geplündert wurde,
worauf er merklich an Auszehrung litt, sah sich nun mit dem Croix de la Legion
d'honneur decoriert.
    Und
er, der bald nach dem Kunstraub und nachdem er als churhessischer Legationsrat
den Beginn des Wiener Congresses, dieses elenden Tanzvergnügens bei
gleichzeitigem Ländergeschacher, hatte erleiden müssen - damals begegnete ihm
fettleibig der jüngere Schlegel, der mit steil rückgewandten Ideen Metternich
zu Diensten war -, wurde von seinem Landesfürsten nach Paris beordert, um von
dort die confiszierte Kunstbeute ins Churhessische heimzuholen; ihm, der
fordernd als Sieger

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