Grave Mercy Die Novizin des Todes
Das Rascheln von feiner Seide und Brokat, das Wispern von dickem Samt und weichstem Leder; die Luft ist schwer von Parfum, von dem kühnen Bukett von Rosen bis hin zu den subtileren Düften von Vetiver, Sandelholz und Veilchen. Die Luft selbst ist übersättigt von Üppigkeit, die jeden Ort, den ich je besucht habe, beschämt.
Ich kann mir keine Zusammenkunft vorstellen, bei der ich mich weniger heimisch fühlen würde; ich komme mir vor wie eine versehentlich in einen Rosengarten gelegte Rübe. Als ich spüre, dass Duval mich ansieht, werfe ich einen schnellen Blick in seine Richtung. »Was?«, murmele ich und strecke die Hand aus, um diskret eine vorwitzige Haarlocke zurechtzuzupfen.
Er schiebt meine Hand weg. »Lasst es so. Es sieht charmant aus.«
Meine Wangen werden warm bei diesem unerwarteten Kompliment. Dann beugt er sich vor. »Wie viele von diesen Perlen sind eigentlich vergiftet?«
Die Wärme seines Atems kitzelt mein Ohr auf eine beunruhigende Art und Weise, aber seine Worte machen mir Mut und erinnern mich an meine Aufgabe. Ich wende mich mit leichterem Herzen wieder den versammelten Edelleuten zu. Gewiss wird mir Mortain jetzt, da ich hier bin, Seine Wünsche offenbaren.
Es ist, als beobachte man eine große Gruppe von Raubvögeln, hungrige Blicke unter halb geschlossenen Lidern, und alle warten sie darauf zuzuschlagen. Nach welchen wohlschmeckenden Leckerbissen sie hungern, weiß ich nicht. Tratsch? Intrigen?
Die Adligen sammeln sich in kleinen Grüppchen, ganz ähnlich den Hühnern im Kloster, wenn sie ein Nest mit Schnecken finden. Alle Damen sind so beherrscht und anmutig wie Madame Hivern, und auch wenn sie nicht alle gleich schön sind, unterscheiden sie sich in ihrem Auftreten überhaupt nicht: Kühn und erfahren, mit allen Wassern gewaschen, heischen sie nach Aufmerksamkeit.
»Nun denn. Einen Schritt nach dem anderen«, murmelt Duval. »Ich muss Euch zuerst den Mitgliedern des Kronrates vorstellen, damit Ihr nicht versehentlich einen von ihnen tötet.«
»Wenn Mortain es will, gnädiger Herr, wird es nicht versehentlich geschehen.«
»Trotzdem, ich schlage vor, dass Ihr Euch mit der Herzogin beratet, bevor Ihr einen von ihnen ermordet.« Er führt mich zu zwei älteren Männern, die ein wenig abseits von den anderen stehen.
Es ist leicht zu erraten, wer sie sind. Der Mann auf der rechten Seite ist gebaut wie ein Bär und steht da, als habe er vierzehn Tage lang ein Pferd geritten; das muss Hauptmann Dunois sein. Seine stille, unaufdringliche Stärke hat etwas an sich, das mich geneigt macht, ihm sofort zu vertrauen, ein Gefühl, das, wie ich mich ermahne, keinen Platz in diesem Spiel hat.
Der andere Mann ist größer, mit eisgrauem Haar und großen, eckigen, vergilbten Zähnen, die mich an einen brüllenden Esel erinnern. Er muss Marschall Rieux sein, und die Art, wie er dasteht und den Raum betrachtet, macht klar, dass er sehr verliebt ist in seine eigene Meinung.
Hauptmann Dunois begrüßt Duval herzlich, aber Marschall Rieux ist verärgert und macht sich nicht die Mühe, es zu verbergen. »Ihr habt Euch eine schöne Zeit ausgesucht, um zu verschwinden«, blafft er.
Duval hält dem Blick des älteren Mannes ruhig stand. »In der Tat, ich wäre niemals fortgegangen, hätte ich gewusst, dass jemand entgegen der Wünsche meiner Schwester eine Versammlung der Staatsmänner einberufen würde.«
Marschall Rieux’ Blick bleibt fest. »Die Barone haben ein Recht darauf, über die Situation ins Bild gesetzt zu werden, und das eher früher als später.«
Ich sehe Duval an. Bedeutet das, dass der Marschall die Versammlung einberufen hat? Wenn ja, würde er gewiss ein Todesmal tragen, aber das tut er nicht. Oder zumindest hat er keins, das ich sehen kann. Duval macht einen Schritt auf Marschall Rieux zu. »Also wart Ihr es, der die Versammlung einberufen hat?«
Marschall Rieux’ Benehmen wird kalt und distanziert. »Ihr vergesst Euch, Duval«, sagt er scharf. »Ihr seid nichts als ein Bastard, toleriert nur um Eurer Schwester willen. Ihr habt keinen formellen Platz im Rat und auch keine Stimme. Ihr seid nicht in der Position, Antworten von mir zu verlangen.« Ohne Duval die Chance zu einer Antwort zu geben, dreht er auf dem Absatz um und stolziert davon.
Hauptmann Dunois sieht ihm lange nach, bevor er sich wieder an Duval wendet. »War es Eure Absicht, diese Wirkung zu erzielen?«
Duval schüttelt verärgert den Kopf. »Nein, er ist einfach stachliger als ein verdammter Igel. Denkt
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