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Greifenmagier 1 - Herr der Winde

Greifenmagier 1 - Herr der Winde

Titel: Greifenmagier 1 - Herr der Winde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neumeier Rachel
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wir vielleicht für möglich gehalten haben.« Kes bemerkte, dass er jetzt nicht lächelte, aber den Ausdruck, den sie in seinen Augen sah, vermochte sie nicht zu deuten. Sie fand jedoch auch keine Zeit, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, denn er richtete sich auf, stieß sich dabei von der Felsnadel ab, an der er gelehnt hatte, und wandte den Blick nach Osten. »Die Sonne geht auf«, erklärte er.
    Und das tat sie wirklich. Da war allerdings nichts von der perlgrauen und lavendelfarbenen Dämmerung zu sehen, die Kes vielleicht aus ihrem Fenster zu Hause hätte verfolgen können. Hier erwies sich die Rückkehr der Sonne als ein insgesamt wilderes und heftigeres Naturphänomen. Erst leuchtete ein hauchdünner Goldrand über den Berggipfeln am Himmel auf, und dann schob sich die Sonne hinter den schwarzen Zähnen der Berge hervor: eine gewaltige Scheibe aus Gold und Violett. Anschließend schien die lodernde Sonne förmlich von den Bergen zum Himmel über der Wüste hochzuspringen; sie wirkte wilder und größer, als sie jemals im freundlicheren Land der Menschen gewesen war.
    Das Licht war in den kalten Höhen vermutlich mild und angenehm warm, aber es gab nichts Mildes an dem Sonnenlicht, das sich schwer über die Wüste ergoss. Kes glaubte es fast kommen zu hören, wie vielleicht Fluten, die aus dem Gebirge herabstürzten. Hitze, die dickflüssig wie Honig zu sein schien, erfüllte die Luft. Sie war nicht wirklich unangenehm, aber sehr machtvoll. Kes schwankte unter ihrer Wucht, ließ die Flamme auf ihrer Hand erlöschen und deckte das Gesicht mit den Händen ab, um die Augen zu schützen. Sie blinzelte heftig und rechnete schon damit, dass die Augen in der strahlenden Helligkeit tränten; aber da waren keinerlei Tränen.
    »Opailikiita«, sagte Kairaithin mit scharfem Tadel, »sie ist nicht gänzlich ein Geschöpf des Feuers!«
    Ja, antwortete die junge Greifin in leicht unsicherem Ton. Sie streckte eine Schwinge aus, um Kes vor der Heftigkeit der Sonne zu schützen. Licht fiel durch die Federn über Kes' Haupt, aber die Helligkeit war stark gedämpft.
    »Als Lösung für den Augenblick nützlich. Als permanente Lösung der Schwierigkeit mangelt es ihr jedoch an Eleganz«, urteilte Kairaithin trocken. Er streckte eine Hand aus, und das Gestein erbebte ringsherum. Ein heißer Wind hob an und peitschte den Sand in Wirbeln über das Plateau, auf dem sie unter freiem Himmel standen. Opailikiita streckte eilig auch die andere Schwinge aus und umschloss Kes ganz - eine schützende Hülle aus reichen Braun- und Goldtönungen.
    Dann erstarb der Wind. Opailikiita nahm die Schwingen zurück, und als Kes sich blinzelnd umsah, stellte sie fest, dass hohe, verbogene Felsnadeln jetzt überall entlang des Randes der Klippe aufragten und von Platten aus rotem Stein gekrönt wurden, die eine Art Dach bildeten. Hier war ein Gebilde errichtet worden, dessen Form grob an eine Halle erinnerte, das jedoch in keiner Hinsicht einem von Menschen geschaffenen Bauwerk ähnelte. Kes hatte zuvor noch nie richtig verstanden, dass Bauen wahrhaftig eine Gabe der Menschen war. Diese Halle - grob gefertigt und in aufdringlicher Weise wuchtig - kam vermutlich so nahe an Fertigungs- oder Baukunst heran, wie es Greifen je vermochten.
    Kes fand jedoch nicht die Zeit, weiter darüber nachzudenken, denn auf dem Wind und dem Licht kam Kiibaile Esterire Airaikeliu in die Halle geritten, der Herr von Feuer und Luft. Sein Name lief wie Poesie oder Feuer durch Kes' Blut, überwältigend wie die Wüstensonne selbst. Er wirkte riesig, viel größer, als sie ihn in Erinnerung hatte; seine Schwingen schienen den halben Himmel zu verdecken. Der Wind fuhr brausend durch diese Flügel; die Klauen blitzten wie polierte Bronze, und die Augen waren golden wie die Sonne.
    Zur Linken des Königs flog der kupferfarbene und goldene Greif Eskainiane Escaile Sehaikiu, der zu Kes gesagt hatte: Wenn du einen Namen wählen möchtest, der in der Dunkelheit brennt, denke an mich. Und wahrhaftig: Escaile Sehaikiu würde in der Dunkelheit brennen wie eine Feuersbrunst, dachte Kes. Er leuchtete so stark, dass er in diesem Augenblick beinahe Federn aus Feuer hätte haben können. Zur Rechten des Königs flog eine Greifin, deren Namen Kes nicht kannte, da sie sie nicht geheilt hatte; ihre roten Schwingen waren von zahlreichen Goldstreifen durchzogen, und der Löwenkörper glänzte golden wie reines Metall.
    Der König landete am Klippenrand und zog die Schwingen an, damit er

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