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Große Ferien

Große Ferien

Titel: Große Ferien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Bußmann
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war alles, es belustigte ihn. An dem Morgen, als er aus dem Keller getreten war, die Zerstörung zum ersten Mal gesehen hatte, hatte er lachen müssen, und musste es wieder, sooft er das Elend ansah. Wie gründlich sie gewesen waren! Nicht die nierenförmig ins Garteninnere gearbeitete Beetgrenze, nicht die Levkojenrabatten am vorderen Rand konnten mehr ausgemacht werden; jede Gliederung fehlte, und wo die Pfingstrosen gestanden hatten, der Rittersporn, sah man nicht mehr, nur er wusste es noch. Der Zorn kam immer erst danach. Es sind ja nur Tiere, versuchte Schramm zu sich zu sagen, doch war er sich darin zu lange nicht sicher gewesen, und je mehr er sich an den Gedanken gewöhnt hatte, von einer Anzeige abzusehen, auch nur eine Meldung zu machen über den Wildkontakt, desto weniger interessierte ihn, wer am Schaden schuld war, Tier oder Mensch.
    Gebt Acht, murmelte Schramm, du weißt, wie viel es kostet, rief der Bruder. Laut, obwohl die Verbindung diesmal eine ausgezeichnete war. Ich verspreche, wir sind vor dem Abend da, keine Eile, sagte Schramm, darauf kommt es doch nun nicht mehr an. Und zu dem schlichten Wort: Ende! drückte er den Hörer in die Gabel, klaubte eine Faustvoll Nüsse aus der Schale, bevor er durch die Glastür hinaus auf die Veranda trat. Er hatte diese Pause nicht nur verdient. Er brauchte sie. Im Gehen fing er an, die Nüsse zu knacken. Kauend warf er die Schalen von sich, so weit er konnte, blieb auf der obersten Stufe der steinernen Treppe, die von der Veranda hinabführte, stehen. Und allmählich fanden die flüchtenden Blicke Frieden, in den dämmrigen Gärten, wo eben keiner arbeitete, auch nicht der Nachbar. Schramm stand und leckte seine Finger und sah sich alles an. In unregelmäßigen Wellen hing der Palisadenzaun, tief aus seinen Verankerungen gekippt, Schramms Grundstück zugeneigt. Jenseits des Zauns schien die Arbeit an den teils geborstenen, teils trockenrissigen Betonplatten endgültig aufgegeben. Staub sammelte sich in den Falten der Plane, am Saum der Grube ein Haufen Bauschutt. Die Taubnesseln sprossen schon. Um die Grube herum trabte der Hund, mit gesenkter Schnauze, erhobener Rute. Schramm kaute und knackte, warf die Schalen über die Wipfel des Scheinwacholders, den eingesunkenen Zaun hinweg, dem Tier zu. Nur die Schalen, doch der Hund schwenkte aus seinem Zirkel aus, sprang zum Zaun und schnappte nach ihnen, bäumte sich und schnappte, wenn Schramm einen neuen Wurf antäuschte. Wie wild wedelte das Tier, dass es seine Hüften und auch den halben Rücken hin und her riss, während es zu Schramm hinsah, unverwandt Acht gab, ob er noch einmal ausholen würde. Er besaß seinen Sinn für Humor.
    Einmal hatten sie ihm etwas auf die Windschutzscheibe geschrieben, mit Schminke wahrscheinlich, der Farbe nach Lippenstift. Ein Scherz, ein harmloser Streich. Und er wusste noch, wie er mit dem Taschentuch versucht hatte, die Schmiererei zu entfernen. Die Linien zu verwischen war leicht, aber die Farbschlieren blieben, je heftiger er wischte, desto gleichmäßiger verteilte er das Gemalte über die ganze Scheibe, derweil sie ihn beobachteten, von einer der Fensterreihen aus, in ihrer Genugtuung, einen Fang gemacht zu haben.
    Wenn er nachts aufgewacht war, hatte er über angemessene Strafen phantasiert. Geeignet, den Schuldigen zu demütigen, ihn zu lehren, dass solches Tun nicht ohne Folgen blieb. Nur sich selbst musste er aus dem Spiel lassen. Wenn er sich als Opfer zeigte, ginge es nach hinten los. Er hatte kühne Pläne, kühn, aber durchführbar, witzig waren sie auch. Doch wenn er morgens in der Küche sein erstes Wasser trank, erinnerte er diese Ideen nicht genauer, als man Träume erinnert, und nicht anders als beim Träumen kam ihm das Erinnerte wie kompletter Unsinn vor.
    Schabernack, sagte Schramm, wenn er an das Heft dachte. Aus der eingerollten Karte der Meeresströmungen war es im Unterricht herausgeglitten, zu Boden gefallen, noch während das Mädchen aus der ersten Reihe die Karte im Halter festklemmte. Alle anderen schauten, selbst aus der letzten Sitzreihe streckten sie sich und schauten auf das zu Schramms Füßen liegende Magazin. Das Bild, auf dem zu vieles gleichzeitig zu sehen war, zwei Paar Arme, aus einem Rumpf gewachsen, in drängelnden Verrenkungen, ein Körper, der den nächsten verdeckte, gerade eben sehen ließ, dass da einer wie ein Hund über dem anderen hing. Nichts wurde einem ganz gezeigt in diesem Bild, alles ließ sich ahnen, und das war es, dachte

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