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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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wieder draußen, bevor Grünmantel etwas erwidern konnte.
    Tschen blickte auf Grünmantel, und Grünmantel zuckte die Achseln.
    »Lass gut sein«, flüsterte er, »ich werde dir das Notwendige nachher sagen.«
    Dann standen beide auf und folgten Glück, der vor der zweiten Jurte wartete, in der Tschen die aufgekaufte Wolle, die Felle
     und die Drachenzähne verwahrte, die ihm gelegentlich von Mongolen gebracht wurden.
    Der alleingelassene Tschin knetete den Teig für die Fleischtaschen. Dazu kniete er vor einem Brett, wandte Großer-Tiger und
     Christian den Rücken zu und tat emsig. Seine mageren Schultern hoben und senkten sich, und man hörte das regelmäßige Klatschen,
     wenn er den Teig wendete.
    »Sollen wir dich jetzt verhauen?«, fragte Großer-Tiger freundlich.
    Tschin drehte den Kopf halb herum und grinste verächtlich. »Es wäre schade um das gute Essen«, sagte er, »es könnte verdorben
     werden. Zu allem hin wäre es feig, denn ihr seid zu zweit.« »Wisch dir die Hände ab und komm mit mir hinaus«, schlug Großer-Tiger
     vor, »mein Freund Kompass-Berg wird so lange hier bleiben.«
    »Mir scheint«, sagte Tschin, »ihr versteht keinen Spaß.«
    »Wir verstehen eine Menge davon«, sagte Großer-Tiger, »aber das war kein Spaß.«
    »Es hätte einer werden sollen«, entschuldigte sich Tschin, »aber du hast ihn verdorben. Wenn dieser da, den du Kompass-Berg
     nennst, ein wenig besser gestolpert wäre, hätte er den Kochtopf umgeworfen. Dann wäre Onkel Tschen nass geworden, ohnedass er mich hätte prügeln dürfen. Dann wäre es ein sehr schönes Fest geworden.«
    »Haut er dich denn?«, fragte Christian.
    Tschin seufzte. »Ihr habt keine Ahnung, wie das hier ist«, sagte er düster.
    »Wie ist es denn?«, erkundigte sich Großer-Tiger.
    »Ach!«, rief Tschin hilflos, »was nützt da sagen?«
    Er formte den Teig zu einem Ballen und griff nach dem Nudelwalker. »Du könntest derweil das Fleisch schneiden«, wandte er
     sich an Großer-Tiger; »aber du musst ganz kleine Würfel machen, sonst kriege ich’s nachher.«
    »Lass gut sein«, sagte Großer-Tiger, »ich weiß, wie man das macht. Gib her!«
    Tschin reichte ihm ein Brett, das er aus den Gitterstäben der Jurte zerrte, dazu ein Messer und ein gehöriges Stück fettes
     Hammelfleisch. Während Großer-Tiger den Rock auszog und das Messer in die Hand nahm, sagte Tschin: »Heute ist ein Glückstag.
     Solange ihr hier seid, kann er sich nicht betrinken.«
    »Meinst du deinen Onkel?«, fragte Christian.
    »Wen sonst?«, rief Tschin. »Merkt ihr nicht, wie er spricht?«
    »Es ist wahr«, sagte Großer-Tiger, »er hat den Zungenschlag.«
    »Wenn er betrunken ist«, erklärte Tschin, »versteht man überhaupt nicht, was er spricht. Dann wird er böse und schlägt mich.«
    »Ich würde ihm davonlaufen«, sagte Christian.
    Tschin schüttelte heftig den Kopf. »Du weißt nicht, was du redest«, sagte er. »Soll ich meiner Familie Schande machen?«
    »Tschin hat recht«, gab Großer-Tiger zu, »das Herz mag begehren, was es will, es muss stillhalten.«
    »Manchmal«, versuchte Christian zu trösten, »gibt es eine Änderung, ehe man sich’s versieht.«
    »Das Glück kommt nicht paarweise«, widersprach Tschin, »es ist genug, dass ihr gekommen seid, und dass ich morgen den ganzen
     Tag wegen des Blitzbriefes fort sein werde.«
    »Wegen was?«, fragte Großer-Tiger.
    »Hier gibt es doch keinen Telegrafendraht!«, sagte Christian.
    »Aber in Aschan gibt es welchen«, erklärte Tschin. Er legte dasNudelholz beiseite, strich den Teig von den Fingern und langte in seinen Rock, der neben ihm am Jurtengitter hing.
    »Könnt ihr lesen?«, fragte er leise.
    »Wir können lesen und schreiben«, sagte Großer-Tiger, »bis auf die schwierigen Worte.«
    »Dann sagt mir geschwind, was hier geschrieben steht! Aber es muss rasch gehen!«
    »Es gibt nirgends eine Befürchtung«, warf Christian ein, »wir hören es, wenn sie zurückkommen.«
    »Aber nur«, sagte Tschin kläglich, »wenn der Esel nicht schreit. Lies bitte schnell!«
    »An Li-Yüan-Pei in Hami«, begann Großer-Tiger.
    »Stimmt«, sagte Tschin befriedigt, »Li ist ein Geschäftsfreund von Grünmantel.«
    »Lies weiter!«
    »Sendet«, fuhr Großer-Tiger fort, »vierzig Kannen Benzin nach Hsing-Hsing-Hsia eilig! Schong-Ma.«
    »Ist das alles?«, fragte Tschin enttäuscht.
    »Mehr gibt es nicht«, sagte Großer-Tiger und gab Tschin den Zettel zurück. »Wer ist dieser Schong-Ma?«
    »Schong-Ma«, sagte Tschin –

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