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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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ist kein Märchen«, widersprach Grünmantel; »ich habe sein Geweih gesehen, und das Geweih ist so teuer, dass man es mit
     Gold aufwiegt.«
    »Du bist einem Schwindel aufgesessen«, behauptete Glück; »was meinen die jungen Herren dazu?«
    »Mein Onkel«, berichtete Großer-Tiger, »hat den Vier-nicht-gleich im Jagdpark des Kaisers gesehen. Jetzt gibt es dieses Tier
     nicht mehr; seine Ahnen sind tot, und seine Kinder sind gestorben.«
    »Ich weiß nicht, was ein Vier-nicht-gleich ist«, sagte Christian.
    »Wovon sprechen die Herren?«, erkundigte sich Mateh.
    »Wir sprechen noch immer vom Vier-nicht-gleich«, sagte Glück, »und wir wissen nicht, ob es ihn gibt, oder ob es ihn gab, oder
     wie er aussieht.«
    »Der Vier-nicht-gleich«, erklärte Mateh, »war ein Hirsch; aber er war doch kein Hirsch, obwohl er ein Geweih trug. Er hatte
     Füße wie ein Rind, Haare wie ein Maultier und den Schwanz eines Esels. Darum nannte man ihn den Vier-nicht-gleich, und er
     lebte in den Wäldern des Nordens, wo die Mongolei zu Ende geht. Ich habe ihn nie gesehen; aber vor sieben Jahren besuchte
     mich ein weitgereister Mann, der alles kannte, was es auf der Welt gibt. Er hatte den Vier-nicht-gleich gesehen, und er sagte,
     es sei ein schreckliches Vieh mit traurigen Augen.«
    »Es ahnte wohl, dass es aussterben würde«, meinte Glück, und er übersetzte den Bericht Matehs ins Chinesische.
    Da kam Christian eine Erleuchtung, und er rief: »Der weitgereiste Mann war Nicht-gibt-es-nicht.«
    Christian merkte zwar gleich, dass er etwas Verkehrtes gesagt hatte, allein es war zu spät.
    Er hatte die Warnung Großer-Tigers vergessen, dass es gefährlich sei, den Mund zu öffnen.
    »Nicht-gibt-es-nicht?«, rief der alte Mateh, – »mein Kind, was weißt du von diesem würdigen Mann?«
    »Woher kennst du ihn?«, fragte Glück.
    »Wahrscheinlich ist es wieder ein befreundeter Fürst«, sagte Grünmantel spöttisch.
    »Wir haben diesen Namen gehört«, erklärte Großer-Tiger schnell, »weil sein Träger ein berühmter Mann war, von dem man in allen
     Zeiten spricht. Er soll im Schnell-Schwarzwasser-Tal gestorben sein. Dies haben wir vernommen, und mehr wissen wir nicht.«
    Mateh hatte aufmerksam zugehört, und da er einiges verstand, nickte er eifrig mit dem Kopf. »Es ist, wie du sagst«, rief er,
     »und man muss des Mannes Nicht-gibt-es-nicht mit Ehrfurcht gedenken.«
    Mateh schwieg, und für einige Augenblicke war es ganz still. Man hörte das Feuer knistern. Draußen tappten die Kamele durch
     das nahe Schilffeld, und einer der beiden Hunde begann zu knurren.
    »Eijen-Tschin!«, sagte die Frau Matehs leise, und darauf wurde es womöglich noch stiller. Man hörte ein feines fernes Läuten,
     und jedes Mal wenn es etwas näher klang, knurrten die Hunde lauter.
    »Eine Handelskarawane«, sagte Grünmantel und machte Anstalten, aufzustehen.
    Sofort erhob sich Mateh und war mit seiner Frau zur Tür hinaus, bevor Grünmantel recht auf den Beinen war.
    »Ist das deine ganze Höflichkeit?«, fragte Glück zornig; aber Grünmantel machte sein hochmütiges Gesicht, gab keine Antwort
     und ging.
    »Da ist keine Hilfe«, seufzte Glück, »man muss die Ungebildeten mit Geduld ertragen.«
    »Wohin will er denn?«, fragte Christian.
    »Er ist ein neugieriges Stück Mensch«, sagte Glück verächtlich, »und er schämt sich nicht, seine Unbeherrschtheit zu zeigen.
     Hört ihr die Glocken? Es sind zwei, – nein«, verbesserte Glück,»es sind drei. Also ist es eine große Karawane. Sie kommt die Schlucht herab, und Grünmantel will wissen, wer es ist, und
     woher sie kommen, was sie geladen haben, und wohin sie gehen.«
    »Nimm den Daschior mit!«, hörte man draußen Mateh sagen, und Grünmantel knurrte: »Weiß schon«, und: »Freilich, freilich!«
     Dann ging er fort. Mateh rief die Hunde, die ihm nachstürzen wollten, und dann kam er mit seiner Frau zurück.
    »Ist dein würdiger Begleiter ein Handelsmann?«, fragte Mateh.
    »Er betreibt dieses heruntergekommene Gewerbe«, bestätigte Glück.
    »Die Handelsleute«, sagte die Hausfrau entschuldigend, »müssen dem Kleinen nachjagen, damit sie das Große erlangen.« Sie füllte
     drei Schalen mit Milch, und Mateh holte aus der Truhe drei weiße Haddaks. Dann bot er kniend seinen Gästen nacheinander Milch
     und Haddak.
    »Zuviel der Ehre«, sagte Glück.
    »Wir sind unwürdig«, sagten Großer-Tiger und Christian. Sie tranken ein klein bisschen von der Milch und schauten zu, wie
     Glück den

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