Großer-Tiger und Christian
gehe jetzt. Grüße deinen Vater Bilderbogen und sage dem Soldat Glück, er solle unbesorgt
sein.«
Siebenstern verneigte sich stumm.
»Ihr beide«, befahl Mondschein, »begleitet mich bis zum Fluss. Ich muss euch zwei Worte sagen.«
»Wir hören«, sagte Christian.
»Und wir gehorchen«, sagte Großer-Tiger.
»Eine kleine Weile«, bat Christian, »ich bin gleich wieder da.«
Er lief in die Jurte und kam mit dem Mantel wieder, den der Pudel gefunden hatte. Dann gingen sie neben Mondschein her. Er
führte den Hengst am Zügel, die Steigeisen klirrten und summten wie Glockenton, und das welke Laub vom Vorjahr raschelte.
Als sie an der Furt anlangten, knotete Mondschein den Riemen des Daschior mit dem Zügel zusammen. Dann ließ er den Hengst
frei. Er ging zum Wasser, trank ein bisschen, und Mondschein setzte sich auf den Rand der Böschung. Weil er es so haben wollte,
setzten sich Christian und Großer-Tiger ihm gegenüber, und Christian warf den weiten Mantel über beide. Sie saßen wie unter
einem Zelt.
»Habt ihr nur einen Mantel?«, fragte Mondschein.
»Den andern hat Grünmantel«, erklärte Großer-Tiger.
»Diesen hatte er auch«, sagte Christian, »aber er fiel vom Wagen, und da fand ihn der Hund.«
»So so«, sagte Mondschein, aber mehr sagte er nicht, weil er wieder mit Nachdenken anfing. Zuerst schob er den Fellhut aus
der Stirn, und nachher zog er ihn tiefer, je nachdem was ihn beschäftigte.
»Was wisst ihr von Glück?«, fragte Mondschein plötzlich.
»Wir wissen, dass er ein Soldat ist«, sagte Christian.
»Er gehört zur Armee des Generals Wu«, sagte Großer-Tiger.
»Und Grünmantel?«, fragte Mondschein, »was wisst ihr von dem?«
»Grünmantel ist ein Kaufmann«, antwortete Christian, »aber jetzt ist er ein …«
Christian stockte. Es überlief ihn heiß und kalt, und er stieß Großer-Tiger flehentlich in die Rippen, damit er schnell was
sage.
»Kompass-Berg meint«, stotterte Großer-Tiger, »dass Grünmantel jetzt nicht mehr ein Kaufmann ist.«
Mondschein lachte vergnügt. »Das stimmt«, sagte er, »aber ihr könnt ruhig sagen, dass Grünmantel ein Rotbart geworden ist.
Ich bin zwar auch einer, aber es gibt da gewisse Unterschiede.«
»Es gibt bedeutende Unterschiede«, pflichtete ihm Christian bei.
»Die Unterschiede sind gewaltig groß«, versicherte Großer-Tiger eifrig.
»Da wir schon von Rotbärten reden«, fuhr Mondschein fort, »halte ich es für meine Pflicht … versteht mich recht meine Kinder«, sagte Mondschein fast zärtlich, »ihr habt jetzt die erste schlechte Erfahrung hinter
euch, und ich möchte nicht, dass ihr eine zweite macht. Ich meine nämlich die Sache, die wichtig ist, weil ihr sie wissen
müsst. Damit will ich nicht behaupten, dass es jetzt noch so ist, aber es war einmal so, und da es Wiederholungen gibt, muss
ich, ja«, sagte Mondschein verzweifelt, »ich muss ja wohl, nicht wahr, ihr Heldensöhne?«
»Wenn der Herr Mondschein vielleicht meint …« begann Christian.
»Dass Glück auch ein Rotbart war …«, fuhr Großer-Tiger fort.
»So wissen wir das«, sagte Christian.
Mondschein machte große Augen.
»Ich glaube«, rief er, »ich habe schon einmal gesagt, dass ihr in das Grasland passt. Jetzt merke ich; ihr passt auch in die
Wüste. Wie habt ihr das herausgekriegt?«
»Wir haben es nicht herausgekriegt«, sagte Großer-Tiger bescheiden, »wir haben nur ein bisschen zugehört, als Grünmantel und
Glück sich stritten.«
»Das war, als wir unter einem Ofenbett saßen«, erklärte Christian,»und auf dem Ofenbett lag Glück, und neben Glück lag Grünmantel. Als sie gut geschlafen hatten, begannen sie zu streiten,
und weil wir nicht geschlafen hatten, hörten wir zu.«
»An dieser Sache war Hagelkorn schuld«, setzte Großer-Tiger auseinander, »er kam und sagte: ›Ich wünsche den Exzellenzen Ruhe
und Behaglichkeit.‹ Aber die Exzellenzen wünschten das nicht. Sie warfen Hagelkorn zur Tür hinaus, und dann gerieten sie wegen
der alten Sache am Roten-Berg in Streit, dass der Kang zitterte.«
»Berichtet mir«, bat Mondschein, »diese Sache.«
»Davon wissen wir wenig«, sagte Christian.
»Glück war ein Räuber am Roten-Berg«, sagte Großer-Tiger, »und Grünmantel machte den Hehler.«
»Jetzt haben wir alles berichtet«, sagte Christian, »und mehr wissen wir nicht. Außerdem ist die Sache sieben Jahre her, denn
das sagte Glück, sooft es einen Wortwechsel gab.«
Christian schwieg,
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