Großer-Tiger und Christian
Christian.
»Sch!«, machte Mondschein, »das ist ein gefährlicher Berg. Man sollte ihn nicht leichtfertig beim Namen nennen, selbst hier
nicht, wo er weit weg ist. Ihr könntet noch einen zweiten Wagen verlieren.«
»Wir haben keinen zweiten«, sagte Großer-Tiger.
»Wir werden uns bemühen, den ersten wiederzukriegen«, sagte Christian.
Sofort wurde Mondschein hellhörig.
»Wie wollt ihr«, sagte er langsam, »das anstellen? Wer euch zuhört, kriegt schnelle Ohren, denn ihr sagt nichts, ohne dass
was dahinter steckt. Ihr seid wackere Spitzbuben, nie fand ich aufgewecktere.«
Großer-Tiger und Christian zogen den Mantel über die Köpfe für den Fall, dass sie sich ein leises Wort sagen müssten, und
Christian stieß Großer-Tiger, damit er den Anfang mache.
Großer-Tiger sagte: »Wir haben eine Verabredung mit Grünmantel, aber er weiß nichts davon. Es ist sehr geheim.«
Mondschein schwieg fassungslos; er schob den Fellhut bis hinter die Ohren. »Ich verstehe«, sagte er endlich, »es ist wie in
Weißer-Stein unter dem Kang.«
»Damit hat es große Ähnlichkeit«, gab Christian zu.
»Kinder!«, sagte Mondschein, »ihr seid mir über. Wollt ihr nicht in unsere Brüderschaft eintreten? Kerle wie euch sucht man
innerhalb der vier Meere wie den Vier-nicht-gleich. Aber man findet ihn nicht.«
»Wir möchten schrecklich gern«, sagte Großer-Tiger höflich, »und es wäre eine unverdiente Auszeichnung für unser geringes
Talent, aber wir müssen nach Hause.«
»Die alte Ama wartet auf mich«, sagte Christian.
»Ist es gestattet, zu fragen, wo die Zusammenkunft mit Grünmantel stattfindet?«, erkundigte sich Mondschein und rückte näher.
Er hielt den Atem an, und die Narbe über der Stirne schwoll. Aber das konnten Christian und Großer-Tiger nicht sehen, denn
eine Wolke schwebte am Mond vorüber, und es wurde für zwei Augenblicke dunkel.
»Wir haben uns«, sagte Großer-Tiger langsam, »mit dem, der sich Grünmantel nennt, auf den vierten Tag des dritten Monds verabredet.«
»Der Ort heißt Gewaltiges-Wasser«, sagte Christian, »und dort wartet er auf einen gewissen Herrn Ma. Dieses haben wir erfahren,
und weil wir es wissen, möchten wir gerne dabei sein.«
Mondschein ließ die Hände sinken, aber sie ballten sich zuFäusten, dass die Finger knackten. Ein wildes Durcheinander schüttelte ihn, und Großer-Tiger und Christian erschraken als
plötzlich Mondschein vor ihnen das Knie bog und mit der Stirn die Erde berührte.
»Zehntausendfachen Dank«, murmelte er, »zehntausendfachen Dank!«
Großer-Tiger ließ den Mantel fallen und riss Mondschein empor.
»Wir sind unwürdige Knaben«, rief Christian.
»Junge Toren«, sagte Großer-Tiger, »soll man mit Milde ertragen, aber nicht ehren.«
»O ihr Heldensöhne und Enkel großer Weisen«, sprach Mondschein, »ihr habt meine Augen sehend gemacht. Wie soll ich euch danken?
Jetzt erkenne ich den, der nach Gewaltiges-Wasser kommt.«
Er blickte von einem zum andern, und dabei wurde er allmählich ruhig.
»Wir müssen handeln«, sagte er entschlossen, »aber nur wir drei. Bei dem Ring, den du am Daumen trägst.«
»Nein«, rief Großer-Tiger entsetzt, »nicht bei diesem Ring.«
»Verzeih«, bat Mondschein, »ich wollte dich nicht erschrecken. Es geht auch so. Versprecht mir aber, mit niemand von dieser
Sache zu reden.«
»Wir versprechen es«, sagte Christian.
»Wir sind erfahrene Geheimnisträger«, sagte Großer-Tiger.
Mondschein lächelte. »Ihr werdet bald von mir hören«, sagte er. Er stand auf.
»Euer Weg sei leicht und gut.«
»Sä Jabonah!«, riefen Großer-Tiger und Christian. Sie zogen den Mantel über die Schultern, und sie schauten zu, wie Mondschein
mit schweren Schritten über den feuchten Sand stapfte. Der Hengst kam ihnen entgegen. Mondschein griff nach dem Daschior,
der am Boden schleifte, hob ihn auf, löste den Knoten und schwang sich in den Sattel. Er saß noch nicht oben, als der Hengst
durch das Wasser jagte.
»Sä Jabonah!«, riefen Großer-Tiger und Christian noch einmal, aber da schossen Ross und Reiter schon die andere Uferböschunghinauf. Nachher hörte man nur noch den Hufschlag und dann nichts mehr. Das Wasser des Närin-Gol glättete sich, und der Mond
rollte seine silberne Kugel darin.
»Wir haben etwas vergessen«, sagte Großer-Tiger, »wir hätten Mondschein fragen sollen, warum vier Pferde zu wenig und zu viel
sind.«
»Macht nichts«, erwiderte Christian, »wir wollen
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