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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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Siebenstern fragen. Gontschuk ist doch ihr Bruder.«
    Sie gingen zum Zelt zurück, aber Siebenstern wusste es auch nicht.
    »Diese Ja- und Nein-Sagerei in einem gefällt mir nicht«, sprach Ungemach, »ihr werdet sehen, es kommt nichts Gescheites dabei
     heraus.«
    »Vater kommt auch nicht«, seufzte Siebenstern.
    »In der Eile sind Fehler«, tröstete Großer-Tiger, »Vater Naidang vermeidet sie eben.«
    »Wenn er es kann«, sagte Ungemach und gähnte, »manche können es nicht.«
    Siebenstern schloss das Rauchloch. »Schlafen, gut schlafen!«, sagte sie, und Christian und Großer-Tiger folgten ihr gern.

Neununddreißigstes Kapitel, in dem wir von Siebenstern und Naidang Abschied nehmen
    Der Morgenstern wanderte ganz allein über den Himmel und glänzte. Die Pferdeweide und die Derreswiese waren vom Raureif überhaucht,
     und die Pappeln standen am Ufer des Närin-Gol. Sie griffen mit ihren Zweigen in das lichter werdende Blau. Über dem Fluss
     dampfte der Nebel. So sieht ein Reisetag aus, dachte Siebenstern traurig, als sie aus der Jurte trat.
    Der Pudel klopfte mit dem Schwanz auf den Boden, hob den Kopf zur Begrüßung, aber er blieb liegen. Es war noch zu früh, um
     mehr zu tun. Er wartete darauf, dass Siebenstern den Mörser hole, und als sie ihn holte, wartete er darauf, dass sie sich
     neben ihn setze. Sie tat es auch, und als sie »bums, bums« denZiegeltee zu Brocken schlug und die Brocken zu feinen Bröseln, wachten alle auf: Christian, Großer-Tiger und Ungemach. Die
     Schafe und die Kamele lagen längst mit offenen Augen da, und die Pferde, von denen man nicht recht wusste ob sie überhaupt
     schliefen, standen an der Leine. Die abgehetzten Gäule von Mondschein und Donnerkeil hatten ein raues verklebtes Fell, und
     an den Fesseln glänzte weißer Reif. Auch die Mähnen glitzerten.
    »Oh, ihr Armen!«, rief Siebenstern und stellte den Mörser weg, »ich vergaß euch gestern Abend.«
    Sie lief an die Leine und machte die Zügel der beiden Pferde los. Sie legten sich gleich, aber bevor sie ruhig liegen blieben,
     wälzten sie sich am Boden, streckten alle viere in die Luft und scheuerten den Rücken. Eine Menge Staub wirbelte auf, und
     das Fell wurde nicht schöner davon. Die Pferde schnauften vor Wohlbehagen.
    »Warum machen sie das?«, fragte Christian und blieb unter der Türe stehen.
    »Weil sie das Fell juckt«, sagte Siebenstern, »das ist doch einfach.«
    »Ach so!«, sagte Christian, und er dachte an das Glacis in Peking, wo sich die Pferde nicht herumwälzten, sondern abgerieben
     wurden und eine Decke kriegten, wenn sie geschwitzt hatten. Er sagte aber nichts darüber, und Siebenstern hing weiter traurigen
     Gedanken nach. Großer-Tiger band die Kamele los, Christian öffnete den Schafpferch, und in der Jurte kochte Ungemach den Tee.
    Sie saßen beim Frühstück, als Naidang und Glück eintrafen. Der Pudel rannte ihnen entgegen und bellte, Siebenstern sagte:
     »Habt ihr eine gute Reise gehabt?«, und Naidang erwiderte: »Gut, gut!«
    Christian und Großer-Tiger betrachteten die Kamele, die mit erhobenen Köpfen daherschritten. Sie hatten steile Fetthöcker
     und einen hoffärtigen Zug um die überhängende Oberlippe. Sie waren jung und stark. Eines trug einen Packsattel und das blaue
     Zelt, in dem Ungemach und Schlangenfrühling gewohnt hatten. Die Zeltstangen wippten beim Gehen auf und nieder.
    »Nicht abladen«, rief Glück, »wir müssen gleich aufbrechen.«
    Christian und Großer-Tiger ging ein Stich durchs Herz. Jetzt also war es so weit, und Siebenstern, die es auch gehört hatte,
     wandte sich ab. Mit einem Mal war nirgends mehr eine Freude. Was vorher fröhlich gewesen war, war nicht mehr fröhlich, und
     die Kamele schrien zornig, als sie sich niederlegen mussten. Sogar die aufgehende Sonne tröstete nicht; sie mahnte doch nur
     zur Eile. Die schweren Herzen von Christian und Großer-Tiger wurden noch schwerer, und Glück sagte: »Am Abend müssen wir am
     Morin-Gol sein. In der Nacht marschieren wir auch.«
    »Geh hinein, Glück, und trinke Tee«, rief Naidang, »wir satteln derweil.«
    »So ist es immer«, seufzte Ungemach: »wenn es wo zufriedene Heiterkeit gibt, heißt es gleich: Ihr müsst gehen, es kommt ein
     Wagen voll Teufel.«
    Er schleppte seinen Sattel und den von Schlangenfrühling herbei. Die Riemen mussten länger gemacht werden, damit sie um die
     Bäuche der Kamele gingen. Für Christian und Großer-Tiger hatte Naidang zwei alte hölzerne Sättel mitgebracht und

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