Großer-Tiger und Christian
Mensch, das mongolisch spricht. Also weiß auch keiner, dass ›Nochoi‹
Hund bedeutet, und so haben wir ohne Nachdenken einen seltenen Namen. Man kann«, sagte Großer-Tiger begeistert,»sich eine Menge wunderbarer Sachen vorstellen, wenn man Nochoi sagt. Mindestens denkt jeder an ›Zauberschildkröte‹ oder ›Schläfriger
Drache‹. Findest du nicht auch?«
»Ich finde«, sagte Christian, »du hättest mir das früher sagen sollen. Jetzt finde ich nämlich auch, dass Nochoi ein Name
ist, der taugt.«
»Bolwo?«, rief Großer-Tiger.
»Es bleibt dabei«, sagte Christian.
Dann ritten sie nebeneinander und sprachen nicht viel. Man sah die Gleise des Lastwagens deutlich, und Glück murmelte unfreundliche
Worte. Sie kamen aber schneller voran als gewöhnliche Karawanen, denn die Kamele mussten keine schweren Lasten tragen. Als
sie an der Stelle vorüberritten, wo die Wagenspuren nach Süden bogen, klopfte Glück an die Pistolentasche.
»Lass gut sein«, sagte Naidang, »Siebenstern hat mir berichtet, es gebe noch mehr Leute, die sich um Grünmantel kümmern.«
»Wieso?«, fragte Glück barsch. »Wen meinst du damit?«
»Mondschein war in der vergangenen Nacht in meinem Zelt. Hast du es nicht bemerkt?«
»Er hat keine Besuchskarte dagelassen«, sagte Glück verdrossen, »es muss ein formloser Besuch gewesen sein.«
»Mondschein hatte es eilig«, gab Naidang zu, »aber er nahm den Hengst mit, daran hättest du merken können, dass er da war.«
»Er hinterließ dem befehlenden Herrn eine Botschaft«, rief Großer-Tiger.
»Dann sage sie mir, vielleicht pressiert es.«
Großer-Tiger ritt nach vorn, und Christian ritt mit ihm.
»Man soll«, berichtete Großer-Tiger, »dem befehlenden Herrn sagen, er möge ohne Sorge sein.«
»Ist das alles?«
»Mehr Worte hat Mondschein nicht dagelassen.«
»Deine Botschaft«, bemerkte Glück spöttisch, »ist nicht besonders eilig.«
»Dafür ist sie gut«, sagte Naidang; »auf dem Weg, den du vor dir hast, sind solche Worte selten.«
»Ich weiß, was du meinst«, knurrte Glück, »und ich weiß auch,wen du meinst. Aber«, rief er, »solche Worte sind wie eine Schublade, die man öffnet, und es ist nichts darin.«
»Oder der alte Staub vom Vorjahr«, sagte Ungemach.
Naidang sagte nichts mehr. Er hatte geglaubt, Glück würde sich freuen; aber Glück freute sich nicht. Er brummte verdrießlich:
»Nun, nun, wir werden sehen«, und nach einer Weile: »Da steckt was dahinter.«
»Ach«, seufzte Ungemach, »es gibt vieles, was man nicht weiß, und es gibt vieles, wo was dahintersteckt, vielleicht schon
hinter diesen Bäumen.«
Damit meinte er die Pappeln des Dondur-Gol, die den Horizont begrenzten und näher rückten. Es waren stattliche Bäume, und
der Dondur-Gol war hier ein richtiger Fluss. Die Böschung, die zu der Furt hinabführte, war von frischen Kamelspuren breitgetreten.
Es gab auch eine flache Sandkuhle in der sich Wasser gesammelt hatte, und Glück bemerkte nicht ohne Schadenfreude, dass hier
eines der Kamele die Lasten abgeworfen hatte. Doch dann runzelte er die Stirn und betrachtete die Spuren genauer.
»Gestern oder vorgestern«, sagte er, »muss hier eine Karawane gegangen sein. Habt ihr sie nicht gesehen?«
»Wir hörten die Glocken«, sagte Großer-Tiger.
»Aber nur von ferne«, sagte Ungemach, »sozusagen beinah gar nicht.«
»Der Hund bellte so laut«, entschuldigte Christian.
»Und es war Nacht«, log Ungemach.
»Es sollte mich nicht wundern«, brummte Glück, »wenn dieser Halunke vor uns herzöge.«
»Wen meinst du?«, fragte Naidang arglos.
»Ach«, sagte Glück obenhin, »ich dachte an einen schäbigen Kerl, dem wir unterwegs begegneten. Kaum dass er uns ein Säckchen
Reis verkaufte, dieser ausgewachsene Geizkragen.«
Und Glück trieb sein Kamel in das Wasser. Es floss noch langsamer als das des Närin-Gol, aber es war tiefer, und Naidang musste
die Knie anziehen. Der Pudel musste schwimmen, und nur den Kamelreitern machte es nichts aus.
»Das kommt«, sagte Naidang, »weil es zum See nicht mehr weitist, da fließt das Wasser träge.« Christian zog das Westliche-Blatt aus der Ledermappe, und als sie weiterritten, faltete
er es auseinander. »Hier sind zwei Seen«, sagte er, »der eine heißt Gaschu-Nor, und der andere heißt Socho-Nor. Alle Arme
des Edsin-Gol fließen hinein, aber nicht wieder heraus.«
»Steht das auf deinem Landbild geschrieben?«, fragte Naidang verwundert.
»Alles steht darauf«, sagte
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