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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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Glück großartig, »und noch viel mehr.«
    »Auch ich?«, fragte Naidang.
    »Noch nicht«, setzte ihm Glück auseinander, »aber wenn Kompass-Berg nach Hause kommt, wo man die Landbilder macht, wird er
     sagen: ›Hier fehlt einer‹, und die Leute werden sagen: ›Wir bitten um weitherzige Vergebung unserer Unwissenheit.‹ Nachher
     werden sie den Fehler gutmachen und hineinschreiben: ›Hier wohnt Naidang der Bilderbogen.‹«
    Da ließ sich Naidang die Karte zeigen, und er betrachtete sie mit gebührender Hochachtung.
    »Jetzt sind wir hier«, sagte Christian und beugte sich vom Kamel herab; »bis zum Morin-Gol sind es noch vierzig Li.«
    »Ich sehe«, sagte Naidang höflich, »dass dieses Landbild wertvoll ist.«
    »Es ist ein unersetzliches Stück«, sagte Glück, »ich habe das gleich erkannt, als ich es zu Gesicht kriegte.«
    »Wie sieht es am Socho-Nor aus?«, fragte Christian.
    »Wie überall auf der Welt«, antwortete Naidang, »es gibt Wasser, und es gibt Land.«
    »Also traurig«, sagte Ungemach.
    »Ein wenig traurig ist es schon«, bestätigte Naidang. »Der Socho-Nor ist groß wie ein Meer, aber der Gaschu-Nor ist größer.
     Rundherum ist ein weißer Rand, doch es ist kein Winterchen-Schnee, sondern Salz, und nachher ist alles gelbe Wüste. Das Wasser
     der Seen ist blau und viel herrlicher als der Himmel; es ist über alle Maßen schön, und im Norden liegt der Götterberg Nojen-Bogdo
     und schaut zu.«
    »Man bleibt aber bei Besinnung«, sagte Ungemach.
    »Habe ich gesagt, dass man vor Freude brüllt?«, fragte Naidang.»Nein, ich habe es nicht gesagt, schon deshalb nicht, weil man von dem blauen Wasser keinen Tropfen trinken kann. Es schmeckt
     salzig nach des Himmels Beschluss, und der Mensch hat keinen Anteil daran.«
    »Soll man da nicht etwa betrübt sein?«, fragte Ungemach, und er fügte hinzu: »Hier ist es auch nicht gerade lustig.« Zum Beweis
     deutete er mit dem Daschior nach allen Himmelsrichtungen.
    Da gab es eine große Ebene, und der Boden war hart. Sand war darüber gestreut und kleine Steine, und der Karawanenweg zog
     wie eine Furche nach Westen. Man sah ihn kaum, aber er war da, und er war das einzige Ding, an das man sich halten konnte.
     Die Sonne stieg höher. Es wurde warm, und der Pudel trottete still neben den Kamelen her, die gleichmäßig schritten, eins
     hinter dem andern. Naidang begann zu singen, und Christian sagte zu Großer-Tiger: »Wenn ich die Sache richtig überlege, habe
     ich Hunger.«
    »Ich auch«, sagte Großer-Tiger.
    »Es gibt zwei Arten, sich zu ernähren«, belehrte sie Ungemach, »nach der Völlerei sind wir jetzt bei der Dreizehn-Hirsekorn-Ernährung
     angelangt. Da isst man oft wenig, aber meistens nichts. Es ist die Art, die ich am besten kenne.«
    »Es ist keine sehr gute Art«, sagte Großer-Tiger.
    »Sie gefällt uns nicht«, sagte Christian.
    Sie ritten weiter, und Naidang sang. Erst am späten Nachmittag änderte sich die Gegend. Es gab winzige Sandhügel, und auf
     jedem stand eine kümmerliche Tamariske. Bald wurden die Tamarisken größer, Buschwerk begann, und schließlich gab es einzelne
     Pappeln und kleine Waldstreifen. Aber eine geschlossene Baumreihe wie an den beiden andern Flüssen fehlte. Sogar das Gras
     wuchs in Flecken, und die Halme waren dünner als am Närin-Gol. Die Äste der Sträucher waren gebrechlicher, und wenn man die
     Pappeln ansah, dachte man eher an Vergehen statt an Festigkeit und Dauer. Zwischen den Bäumen sah man weit hinaus auf die
     Wüste und ferne blaue Berge.
    Der Morin-Gol durchfloss ein breites Kiesbett, in dem die Sandbänke größer waren als die schmalen Wasserarme. Eigentlichwaren es nur Bäche, über die man springen konnte, aber das Wasser war klar wie im Gebirge. Am andern Ufer des Morin-Gol stand
     eine Jurte. Sie war ein wenig älter und schlechter, als die von Onkel Tschen gewesen war, und die Vorräte des Herrn Ping lagen
     unter einer grauen Plane gleich neben dem Zelt. Herr Ping trat heraus, als er das Gebell des Pudels hörte, aber da war es
     schon zu spät. Sein gelber, gewalttätiger Köter rannte dem Pudel entgegen, und mitten im Morin-Gol kam es auf einer Sandbank
     zum Kampf.
    »Kou!«, rief Herr Ping, »lai, lai, lai!«
    »Nochoi!«, riefen Christian und Großer-Tiger, »nasch jirr!«
    Aber der Pudel hörte nicht auf mongolisch, und der Hund des Herrn Ping hörte nicht, was sein Herr chinesisch befahl. Beide
     kämpften verbissen auf Leben und Tod, während die Besitzer auf den

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