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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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halblaut vor
     sich hin, und dann musste er einen großen Umweg machen, denn der neue Einsturz hatte mächtige Erdmassen in Bewegung gebracht,
     die noch immer nachrutschten.
    »Gebt Acht«, mahnte Gontschuk, »man kann sehr leicht sterben.«
    Großer-Tiger und Christian tappten Gontschuk nach, der selber aufs Geratewohl voraus stampfte und erst einen Durchlass zu
     dem vorderen Teil des Tales fand, als schon die Umrisse der südlichen Felsbastionen auftauchten. Einem Kamel begegneten sie
     nicht. Dafür lief der Pudel plötzlich neben ihnen her und wedelte zutraulich.
    »Auch Kamele sterben leicht«, brüllte Gontschuk Christian ins Ohr, und er blieb einen Augenblick stehen, um sich zu schütteln,
     obgleich es zwecklos war, weil der Sand längst durch den Kragen über Brust und Rücken lief und die Stiefelschäfte füllte.
     »Kamele sterben sogar gern«, behauptete Gontschuk, denn er wollte Großer-Tiger und Christian darauf vorbereiten, dass sie
     keines der Kamele mehr fänden.
    »Hier sind aber welche«, rief Christian.
    »Mindestens zwei«, schrie Großer-Tiger und zeigte auf Spuren in dem lockeren Erdreich. Gontschuk kniff die Augen zusammen
     und hob die Daumen zum Zeichen der Anerkennung.
    »Hund!«, schrie er dann, »such ›Verloren-wiederkomm‹, wenn du was taugst!« Er drückte dem Pudel die Nase in die Kamelspuren,
     aber es war nicht mehr nötig.
    Schon nach wenigen Schritten sahen sie dicht aneinandergedrängt vier Kamele liegen.

Einundvierzigstes Kapitel, wie die Karawane auf dem Pfad der Nachdenklichkeit marschierte
    Zwei Tage und drei Nächte heulte der schwarze Sturm. Das Essen, das Ungemach kochte, war voll Sand, ununterbrochen musste
     man die Nase schnäuzen, und die Hautfarbe von Großer-Tiger und Christian konnte niemand mehr unterscheiden. Selbst der braune
     Gontschuk sah wie ein gelber Sandmann aus. »Wie lange dauert es noch?«, erkundigte sich Christian, als sie am Morgen des dritten
     Tages Tee tranken und Hirse kauten, und der Sand knirschte zwischen den Zähnen.
    »Warum sollte sich was ändern?«, fragte Ungemach. »Himmel und Erde sind durcheinander; es ist das Bild des Friedens. Mir«,
     sagte er und wischte zwei dicke Sandhaufen aus den Augenwinkeln, »gefällt es ausgezeichnet.«
    »Es könnte nicht besser sein«, pflichtete Glück hohnvoll bei. Er saß wieder aufrecht, und wenn er es vorsichtig machte, konnte
     er sogar die Mütze aufsetzen.
    »Trotzdem«, sagte Gontschuk, »reite ich heute nach Hause.«
    »Sei nicht leichtsinnig«, mahnte Glück, weil er merkte, dass Gontschuk die letzten Futterbohnen aus dem Sack schüttete und
     sie mit kochendem Wasser brühte, »nur der Himmel kennt sich wahrhaft aus.«
    »Zu Mittag scheint die Sonne«, behauptete Gontschuk, »ich reite.«
    »Au fein«, rief Christian, »da können wir auch weiter reisen.«
    »Pressiert es dir so?«, fragte Glück.
    »Es pressiert«, setzte ihm Christian auseinander, »weil die alte Ama wartet und weil Großer-Tiger wieder in die Schule muss.«
    »Und du?«, fragte Glück, »wie steht es mit dir?«
    »Meine Lehrer sind gefasst«, erklärte Christian, »aber für Großer-Tiger habe ich nur einen Tag frei gefragt, da hat ihn sein
     Lehrer gleich bedauert.«
    »Mir scheint«, sagte Glück, »ihr habt nicht den Duft großen Ruhmes hinterlassen.«
    Er stand auf und ging vor das Zelt, aber er kam gleich wieder, und er war ganz aufgeregt. »Kommt«, rief er, »der gewaltige
     Wind lässt nach, die Sonne scheint heller.«
    »Schade«, sagte Ungemach, »ich hatte mich von allen Schönwettergedanken freigemacht.«
    Er kam langsam hinterdrein, während die andern auf die Sandbank eilten und durch den Dunst der Staubfahnen erwartungsvoll
     nach der blassen Sonnenscheibe blickten. Auch der Pudel war da, und seine Locken wehten, aber deshalb war er nicht fröhlich.
     Vor allem verabscheute er den Sand, der ihn am Bellen hinderte und der ihm die nasse Schnauze gelb machte.
    »Wo ist das Ende?«, fragte Ungemach, »ich sehe nichts davon.« Er wollte ins Zelt zurückkehren, doch da ging der ganze Kummer
     mit einem Schlag zu Ende. Es war, als zöge man einen hässlichen Vorhang beiseite, und es war, als ob der Meister einer Blasmusik
     mittendrin den Stab niederlegte. Die Hörner und Trompeten schwiegen, die Fanfaren schmetterten nicht mehr, und die große Pauke
     hörte auf zu pauken.
    Von den Rändern des Felsenkessels strahlten blauer Himmel, Windstille und Sonnenschein. Bloß in der Ferne wälzte sich eine
     wüste

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